Ein blasphemischer Blick auf Mike Tyson

Jede Generation hat ihre Helden und manchmal sogar Boxhelden. Einige sind tief in ihre Zeit eingebunden, wie Jack Demsey, Joe Luis und Rocky Marciano. Andere sind vor allem von nationaler Bedeutung, wie zum Beispiel Max Schmeling und Henry Maske. Nur wenige bekommen eine universelle Bedeutung, wie z.B. Muhammad Ali.
Jede Generation unterwirft die Helden der Vorväter einer Überprüfung. So kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass ein zum Tode Verurteilter im Gefängnis flehen könnte, der amtierende Weltmeister im Schwergewicht solle ihn retten – so jedenfalls behauptete es der Mythos über Joe Louis.
Die sich wiederholende Frage lautet also: Wer gehört nun zum erlauchten Kreis der ganz Großen im Boxen? Eine ganze Reihe von Angehörigen der Generation, die Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bzw. des letzten Jahrtausends Profiboxen verfolgten, vertreten die Meinung, Mike Tyson sei einer der besten, wenn nicht sogar der beste Schwergewichtler aller Zeiten gewesen. – Auf die Gefahr hin mich sehr unbeliebt zu machen, möchte ich dem hier klar widersprechen.
Tysons Verehrer könnten z.B. darauf verweisen, wie viele Tickets er verkauft hat und wie viel Geld er mit Pay-Per-View gemacht hat. Er war das Gesicht des Profiboxens für ein gesamtes Jahrzehnt. Wohl kein Boxer vor oder nach ihm zierte so viele Titelseiten. Das ist alles richtig. Aber wenn dies Indikatoren für Größe sind, dann ist Madonna wohl der/die größte Musiker/in aller Zeiten. Größe im Boxen kann nicht durch Geld oder Anzahl der Titelseiten definiert werden, sondern doch wohl nur durch die Qualität der Kämpfe, die Qualität der Gegner, die Siege über gute Gegner und durch die Anzahl erstklassiger Kämpfe.

In meinen Augen ist der am 30.06.1966 geborene Michael Gerard Tyson vor allem ein Phänomen. Er ist eine von vielen Personen und Institutionen erschaffene Kunstfigur. Als erster ist zu nennen: Cus D´Amato. Der Entdecker, Trainer und Ersatzvater von Tyson. Er brachte ihm den Peek-A-Boo Stil bei, der am besten zu einen kleinen Schwergewichtler passt. Das hatte er schon bei Floyd Patterson so gemacht. D´Amato war ewig lange im Boxgeschäft. Er verstand sein Geschäft als Trainer und er kannte Journalisten und TV-Leute und wusste deshalb auch genau, wie sie arbeiten und wie sie ticken. D´Amato verbreitete so, zusammen Jim Jacobs und Bill Cayton, eine mythische Geschichte. Im Zentrum steht der alte weiße und weise Mann, der in seinem selbst gewählten Exil, fern der Großstadt New York, in den Catskills Bergen, einen jungen schwarzen Mann aus Brooklyn, den er vor einem Leben in der Kriminalität gerettet hat, in die Mysterien des Profiboxens einweiht. Das ist der größte Teil des Mythos Mike Tyson.
Von ganz realem Gewicht war sicher sein Punch. Tyson hatte einen brutalen Punch. Besonders seine rechten Körperhaken, gefolgt von einem rechten Aufwärtshaken zum Kopf, war die Kombination, die viele Gegner fällte. Diese Kombination, seine Explosivität und seine Fähigkeit, Schlägen auszuweichen und sich gleichzeitig an die Gegner heranzuschieben, waren seine boxerischen Stärken. Die konnte er auch besonders effektiv nutzen, außer wenn sein Gegenüber von der ersten Sekunde an dagegen hielt.
Tyson wurde mit seinem Sieg gegen Trevor Berbick, am 22.11.1986 in Las Vegas, der jüngste Schwergewichtsweltmeister. Er war, als er den WBC Titel gewann, gerade mal 20 Jahre alt. Vor ihm hielt Floyd Patterson, auch ein Schützling von D´Amato, diese „Bestmarke“ – mit 21 Jahren. Dies markiert aber auch schon völlig den Platz von Mike Tyson in der Geschichte.
Aber schauen wir uns doch die Qualität seiner Kämpfe und die Qualität seiner Gegner – womit nicht der Unterhaltungswert gemeint ist – einmal an und auch die Siege über gute Gegner, also das, was einen Weltmeister zu einem richtig großen macht.
Nach seinem Sieg über Berbick, den er wie einen Baum fällte, bereinigt er innerhalb eines dreiviertel Jahres die Titelsituation, indem er alle drei bedeutenden Titel (WBC, WBA und IBF) auf sich vereinigte. Dabei schlug er James Smith, Pinklon Thomas und Tony Tucker. Ja, man kann sagen, er war der Terror des Schwergewichts – allerdings in einer Zeit, in der das Schwergewicht erschreckend schwach besetzt war.
Sein Sieg über Michael Spinks, am 27.06.1988, war dann schon ein großer. Er pulverisierte Spinks innerhalb von 91 Sekunden. Aber man muss dazu anmerken, dass Spinks, der in die International Hall Of Fame Of Boxing aufgenommen wurde, seine beste Zeit als Halbschwergewicht hatte.
Am 11.02.1990 zerstörte dann James Douglas im Tokio Dome den Mythos Tyson. Er knockte ihn in der 10. Runde aus. Tyson war nicht mehr der Unbesiegbare. Es zeigte sich, dass Tyson nie, wie die wirklich Großen, es schaffte, nach einem Niederschlag den Kampf noch für sich zu entscheiden. Nach dem Tokio-Desaster verlor er alle entscheidenden Kämpfe. Evander Holyfield demontierte ihn zweimal hintereinander, am 09.11.1996 und am 28.06. 1997. Auch Lennox Lewis hatte am 08.06.2002 kein Mitleid mit ihm. Auch er knockte ihn aus.
Mike Tyson ist ein Phänomen. An ihm kann man sehen, was passiert, wenn die Medienmaschinerie einmal so richtig ins Rollen gerät. Dann werden Comeback Kämpfe gegen handverlesene Umfaller, die auch schon mal Werbung auf der Unterseite ihrer Boxstiefel tragen, zu Megaevents. Madonna ist nicht der/die bester/beste Sänger/Sängerin aller Zeiten. Sie gehört auch nicht unter die Top Ten. Ebenso gehört Mike Tyson nicht zu den 10 besten Schwergewichtlern aller Zeiten. Meine Top Ten sind: Muhammad Ali, Rocky Marciano, Jack Johnson, Jack Dempsey, Larry Holmes, George Foreman, Evander Holyfield, Lennox Lewis, Sonny Liston und vermutlich Wladimir Klitschko. Wobei ich mir über die genauen Platzierungen zwei bis zehn nicht ganz sicher bin.
(C) Uwe Betker



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