Ein bemerkenswertes Interview mit Felix Sturm

Die meisten Interviews mit Sportlern sind für den Leser bzw. Zuhörer nicht besonders interessant. Was kann man schon für Äußerungen von einem Athleten verlangen, der gerade seinen Wettkampf beendet hat? Diese „O-Töne“ können doch nur vorgefertigte Worthülsen sein. Natürlich kann nicht jeder Sportler gleich einen Rhetorikkurs besucht haben, aber es lässt sich doch feststellen, dass fast alle eher bemüht sind, in Interviews so wenig wie möglich zu sagen und möglichst keinen zu verärgern. Das wiederum hat zur Folge, dass ein Interviewer nicht nur sehr gut vorbereitet sein muss, wenn er ein sehens- oder lesenswertes Interview führen will, sondern er sollte darüber hinaus auch flexibel genug sein, auf das Gehörte zu reagieren und gegebenenfalls eine Nachfrage zu platzieren. Die hohe Kunst der Interviewführung gibt es nur selten zu bewundern. Daher fühlen sich viele Sportler bei dem Frage-Antwort-Spiel auch sicher. Das hat vor allem damit zu tun, dass Sportjournalisten eben nur sehr selten nachfragen und noch seltener kritisch intervenieren.
Aber manchmal gibt es doch noch Interviews, die sehens- oder lesenswert sind. Meist liegt das dann daran. dass dem Befragten einfach etwas rausrutscht, was er vermutlich gar nicht preisgeben wollte. Genau das ist passiert bei dem großen Interview, das Felix Sturm (47 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) der wirklich guten Kampfsportzeitschrift Ground and Pound gegeben hat und das sie auch auf ihrem Video Kanal veröffentlicht hat.
Sturm erklärte hier, er wolle noch 7 bis 8 Kämpfe bestreiten und außerdem habe er sich vorgenommen, nur noch große Kämpfe („big-big Fights”) zu machen. Dann führte er weiter aus: „Natürlich wäre toll, wenn der Kampf gegen Arthur Abraham endlich zustande kommen könnte. Über den Kampf wird seit vielen – vielen Jahre geredet. Das ist der Kampf den ich möchte. Ich weiß, Arthur möchte den Kampf. Wir kennen uns sehr – sehr lang. Wir schätzen uns. Ich denke, das ist ein Kampf, der die Massen elektrisieren würde, der die Massen anziehen würde. Das ist ein Kampf, über den lange gesprochen wird und auch nach dem Kampf. Das ist mein absoluter Wunschkampf. Einen zweiten Kampf gegen Robert Stieglitz brauche ich jetzt nicht so unbedingt. Nach meiner Meinung habe ich ihn klar geschlagen, habe ihn eigentlich relativ gut im Griff gehabt. Beim nächsten Mal würde ich ihn auch vorzeitig besiegen können.“
Sturm sieht sich also als Sieger bei seinem letzten Kampf am 08. November 2014 gegen Robert Stieglitz (52 Kämpfe, 47 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlage, 2 durch KO, 1 Unentschieden). Soweit ich mich erinnere, wurde der aber, u.z. durchaus nicht unumstritten, als Unentschieden gewertet. Er führt dann weiter aus, dass nicht nur er selbst sich als Sieger gesehen hat: „99% und auch die ganzen Kritiker von mir von denen ich eigentlich eine ganze Menge habe, die immer etwas zu kritisieren haben (…) die, die oben sind, werden immer kritisiert, von vielen Leuten, haben mich vorne gesehen. Sie haben gesagt: War ein klarer Kampf. Nach der achten Runde war der Kampf für mich und für die meisten Leute gelaufen. OK, es ist jetzt wie es ist. Man sagt in Köln: Kann man sich den Mund abputzen. Habe ich. Ist ein Unentschieden. Es ist schade für meinen Kampfrekord, aber was da ist. Warum das Unentschieden zu Stande gekommen ist, ist eigentlich klar. Weil Robert sonst seine Pflichtposition verloren hätte gegen Arthur. Und da hat sein Promoter, Ulf Steinforth, gute Vorarbeit geleistet – da mit den Punktrichtern. Wenn man sich auch die Punktzettel anschaut, sieht man, sie wollten ihn auf keinen Fall verlieren lassen. Das war alles untereinander abgesprochen. Da müssen wir in Zukunft anders arbeiten. Das haben die gelernt am dem Abend. Vor allem habe ich mir auch fest vorgenommen, sollte der Kampf noch einmal kommen, möchte ich ihn vorzeitig schlagen, damit es gar nicht mehr so eine Diskussion gibt.
Aber für mich war einfach wichtig nach, ich sag mal, fast 14 Jahren im Mittelgewicht mein erster Kampf im Super Mittelgewicht, so einen Superfight, gegen einen ehemaligen Weltmeister, der zwei oder dreimal Weltmeister war in der Gewichtsklasse, so zu dominieren und eigentlich besiegt zu haben. Das war für mich wichtig. Das Ergebnis war für mich sekundär. Ich weiß, dass ich gewonnen und die meisten Fans auch. Die Leistung hat gestimmt.“
Sturm gibt sich hier bemerkenswert abgeklärt. Lässig erklärt er nebenbei, dass Kritik eben zum Geschäft dazugehört – eine vorbildliche Haltung. Schließlich soll es ja tatsächlich auch Boxer geben, die unliebsamen Kritikern auch schon mal Hausverbot erteilen. Nun will er auch selbst einen Kampf gegen Arthur Abraham (45 Kämpfe, 41 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) – dabei hat er das vor noch gar nicht langer Zeit noch entschieden abgelehnt. Das Interview mit Adnan Catic sorgte insgesamt für einigen Wirbel in der Öffentlichkeit, weil hier ein Profiboxer offen darüber spricht, dass Veranstalter Einfluss auf Punktrichter n ehmen.
Gestolpert bin ich bei dem Interview vor allem über zwei Sätze, die im Kontext der vermuteten Einflussnahme auf die Punktrichter im Stieglitz Kampf standen: „ Da müssen wir in Zukunft anders arbeiten. Das haben die gelernt an dem Abend.“ Selten wurde wohl schon mal das Management eines Boxers öffentlich so abgewatscht wie hier – wenn ich denn Sturm richtig verstehe. Zur Erinnerung: Sturm wurde bereits am 05.06.2004 in seinem Kampf gegen Oscar de la Hoya um seinen Sieg gebracht. Sein damaliger Manager und Veranstalter Klaus-Peter Kohl bzw. Universum Box-Promotion hatte ihn in die USA geschickt, obwohl bereits der nachfolgende Kampf von de la Hoya, der Megakampf gegen Bernard Hopkins beworben wurde. Spätestens seit Mitte 2004 sollte Sturm doch also wissen, dass man manchmal mehr tun muss als gut boxen, um einen Kampf zu gewinnen.
Ich verstehe die Äußerungen von Sturm so, dass er sein Management dafür verantwortlich dafür macht, dass die Punktrichter den Kampf unentschieden gewertet haben und nicht als Sieg für ihn, dass sie also nicht, wie die anderen, Einfluss genommen haben. D.h. es wurde etwas nicht gemacht, was hätte gemacht werden sollen. Nennt man so etwas nicht Fahrlässigkeit oder Unprofessionalität.
Jetzt könnte man hier natürlich darüber spekulieren, ob Sturm das wirklich sagen wollte und das auch noch öffentlich, oder vielleicht doch nicht. Auch könnte man darüber reflektieren, was es denn heißt, wenn sich ein Boxer darüber auslässt, dass man nur gewinnen kann, wenn man Einfluss auf Punktrichter nimmt. Man kann sich aber auch ganz einfach daran erfreuen, dass in einem Interview der Interviewte mehr sagte, als er sagen wollte.
(C) Uwe Betker



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