Eberau – Anatomie einer Schweinerei

Saualm und Eberau sind die beiden geographischen Ortsangaben, die exemplarisch für die Asylpolitik der Republik stehen – überfallsartig errichtete “Lager”, möglichst entlegen im Gebirge oder im südburgenländischen Grenzland. Denn Verdrängung ist das oberste Prinzip: Das Asylwesen wird von der Abschiebung her gedacht, der Asylwerber in der öffentlichen Wahrnehmung ausschließlich als (potenziell) krimineller Fremdkörper empfunden, der möglichst auszuscheiden ist. So pathologisch ist das Verhältnis, dass sich die Debatte ausgerechnet um Orte konzentriert, die jeweils die Bezeichnung eines bekanntlich unreinen Tiers von zweifelhaftem Ruf im Namen tragen.

 

Das eberauer Übel hat (nicht nur, aber nicht zuletzt auch) zwei Wurzeln: die fragwürdige Idee des “Lagers” auf der sachlichen und die unfassbare Feigheit vor dem Volk auf der politischen Ebene.

Gewiss: “Lager” gibt es keine, lediglich Erstaufnahmezentren aka Bundesbetreuungseinrichtungen. Fraglich ist jedoch, ob es sinnvoll ist, diese in der Größenordnung von mehreren hundert bis tausend Personen zu konzipieren. So viele Menschen aus äußerst unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen, die sich größtenteils in einer psychischen Extremsituation befinden, auf engem Raum zusammenzufassen schafft fruchtbaren Nährboden für Probleme und grenzt an psychische Grausamkeit den Einzelnen gegenüber. Es ist kein Zufall, dass (wenigstens größenordnungsmäßig) vergleichbare Einrichtungen wie Kasernen oder Straflager von militärischer Disziplin geprägt sind, anders ist kaum dauerhafte Ordnung aufrecht zu erhalten. Zumindest 300 Personen sollen es in Eberau sein, die sodann im burgenländischen Niemandsland in einem trostlosen kasernenartigen Bau meist jahrelang ihres Asylbescheids harren sollen. Im Idealfall herrscht, jedenfalls nach den Vorstellungen der Innenministerin, auch noch “Anwesenheitspflicht”, was zweifellos aus verwaltungstechnischer Sicht vorteilhaft wäre. Unbescholtene Menschen unter dem Generalverdacht, sich einem ordentlichen Verwaltungsverfahren ohnehin entziehen zu wollen, festzuhalten – offiziell begründet mit ungnädigen Gefühlen der Bevölkerung – das nennt man Polizeistaat. Das ist verfassungswidrig.

Dabei wären schon die parteipolitischen Verwicklungen, die sich aus der Idee eines hunderte-Personen-Zentrums ergeben, leicht zu vermeiden, indem man kleinere, dafür mehrere Einheiten schaffen würde: Burgenland, Steiermark, Kärnten jeweils hundert Personen zugeteilt und schon wäre landtagswahltechnische Waffengleichheit hergestellt. Denn als Waffe wird das Thema Asyl zweifellos betrachtet: ein heißes Eisen, geschmiedet in den Leserbriefspalten, wo die Volksseele kocht. Nun könnte man annehmen, dass wenn sich eine Regierungspartei autoritär-polizeistaatlichen Fantasien hingibt, die andere – die mit der Demokratie im Namen – im Sinne einer sachlichen Lösung dagegenhält. Richtig – allerdings soll ein gänzlich anderes Problem einer sachlichen Lösung zugeführt werden: das des eigenen WählerInnenschwunds.

Man nehme eine Volksbefragung, von der man schon weiß, wie sie ausgehen wird (es ist nicht anzunehmen, dass die 500 Eberauer, die man eben mit einem 300-Personen-Asylzentrum aus dem Nichts heraus überfahren wollte, davon angetan sind). Behelfsmäßig muss man eben die Fragen entsprechend formulieren. Sodann verweise man das Problem in irgendein Gremium, das garantiert keine Lösung finden wird (zb die Landeshauptleute Konferenz, unter derzeitigem Vorsitz des mit der bekannt zuverlässigen Lösungskompetenz der Hypo-Saualpe-Adria-Fraktion ausgestatteten kärntner Landeshauptmanns). Um später glaubwürdig den lupenreinen Demokraten mimen zu können, der es im Grunde immer schon gewusst hat, denke man laut darüber nach, ob das alles überhaupt notwendig sei. Köcheln lassen, Abstimmung abwarten, genießen, dass der Koalitionspartner (endlich!) auch einmal schlecht dasteht, womöglich noch rechtzeitig zu den Wahlen.

Selbstverständlich bleibt dabei das eigentliche Problem, nämlich wie und wo Erstaufnahmezentren zu errichten wären, ungelöst. Irgendwann, wenn es wirklich gar nicht mehr anders geht, wird sich irgendeine behelfsmäßige Lösung finden, natürlich ohne öffentliche Diskussion.

Gemeinsamer Nenner der Akteure ist das vermutete Volksempfinden und der vorauseilende Gehorsam; unterschiedlich sind allenfalls die Strategien, mit denen den vielzitierten, aber nie näher beschriebenen, geschweige denn kritisch beleuchteten, angeblichen Ängsten der Bevölkerung Rechnung getragen wird. Die einen verfolgen die naheliegendste: einem Schwächeren einmal ordentlich den Marsch blasen, Stärke zeigen. Die anderen zelebrieren die Affirmation, dem sozialen Unterbewusstsein treu ergeben. Damit ist die Bühne frei für die Ritter von der abendländischen Gestalt – die selbstverständlich noch ein bisserl härter zupacken werden und sich für ein wenig Populismus nicht so lächerlich verrenken müssen.

 


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