Die Macht Ihrer Gedanken und inneren Einstellungen. - Oder: Ist Älterwerden nur eine selbsterfüllende Prophezeiung?

Oder: Ist Älterwerden nur eine selbsterfüllende Prophezeiung?

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Möglichst lange jung und fit bleiben ist ja der Wunsch vieler Menschen – gleich welchen Alters. Aber was hilft wirklich? Sport? Gesünder essen? Nahrungsergänzungsstoffe? Oder reicht es, einfach seine Einstellung zum Altern zu ändern?

Genau das wollte die Psychologieprofessorin Ellen Langer in einem berühmten Experiment herausfinden.

Sie schuf ein „Zeitreise-Haus“, in dem eine Gruppe von Männern im Alter zwischen Ende 70 und Anfang 80 eine Woche lang lebten. Es simulierte den Bewohnern die Zeit vor zwanzig Jahren:

  • Das Haus ist im Stil von 1990 eingerichtet.
    Die Wiedervereinigung ist gerade passiert. Aus dem Radio hört man die neuesten Hits von Phil Collins „Another Day In Paradise“ und Sinéad O’Connors „Nothing Compares 2 U„.
  • Im Fernsehen verfolgen die Senioren die Serien der späten Neunziger.
    In der Bibliothek stehen gerade erschienene Bestseller wie Süskinds „Das Parfüm“ und Ecos „Das Foucaultsche Pendel“.
  • Microsoft veröffentlicht Windows 3.0, wovon die Alten aber nichts mitkriegen, da es das Internet noch nicht gibt.

In dem Haus gibt es zwei Gruppen.
Die Experimentalgruppe tut eine Woche so, als lebte sie 1990. Spricht also von ihren beruflichen Aufgaben und dem Ärger im Büro. Enkelkinder sind klein oder erst geplant.
Die Kontrollgruppe soll sich in dieser Woche nur daran erinnern, wie ihr Leben vor zwanzig Jahren aussah aber dabei nicht vergessen, dass dies nur Erinnerungen sind weil sie selbst ja alt sind.

Würden Sie Unterschiede zwischen beiden Gruppen erwarten?
Und wenn ja, welche?

Was könnte bei einer solchen „Zeitreise“ herauskommen? Hat der Spruch „Man ist so jung, wie man sich fühlt“ vielleicht eine wissenschaftliche Grundlage? Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Psyche und Körper?

Nun, das Experiment gab es wirklich. Es wurde 1979 von der Harvard-Professorin Ellen J. Langer in einem abgeschiedenen Kloster in New Hampshire durch geführt. Und die Ergebnisse waren dramatisch.

Die Teilnehmer der Experimentalgruppe, die so taten, als wären sie zwanzig Jahre jünger …

  • hatten weniger Arthritis in den Händen,
  • konnten ihre Gelenke besser bewegen,
  • waren dadurch bei manuellen Aufgaben geschickter.
  • Ihre mentalen Fähigkeiten waren messbar gestiegen,
  • Gang und Haltung hatten sich verbessert,
  • und neutrale Beobachter fanden, dass sie jünger aussahen.

Mit anderen Worten: Der Alterungsprozess war ein Stückchen zurückgedreht worden. Und das Experiment dauert nur eine (!) Woche.

Was lernen wir daraus?

Die Macht Ihrer Gedanken und inneren Einstellungen. - Oder: Ist Älterwerden nur eine selbsterfüllende Prophezeiung?

Warum sieht man besser, wenn der Optiker die Sehtafel verkehrtrum hält?

Es zeigt, dass es „die Wirklichkeit“ so nicht gibt, sondern dass wir unsere Wirklichkeit konstruieren. Dies ist nicht nur die Erkenntnis des Konstruktivismus. Sondern auch der Priming-Effekt zeigt, dass wenn bestimmte Assoziationen mit einem Begriff oft aktiviert werden, allein das Nennen dieses Begriffs spätere Gefühle und Handlungen beeinflusst.

Hier noch ein ebenso überraschendes Studienergebnis von Ellen Langer. Sie kennen diese Sehtafeln beim Augenoptiker, wo oben die riesigen Buchstaben stehen und je weiter man nach unten kommt, die Buchstaben kleiner werden.

Jetzt das Experiment: Was passiert, wenn man dieselbe Sehtafel verkehrtrum aufhängt?

Ganz einfach: die Sehkraft verbessert sich!
Nahezu alle Teilnehmer der Studie konnten auf der umgekehrten Tafel Zeilen lesen, die sie auf der normalen Tafel nicht lesen konnten. Die Erwartung, dass man immer schlechter lesen kann, wenn man auf der Tafel nach unten wandert, schafft eine selbst erfüllende Prophezeiung.

Die innere Einstellung entscheidet.

Welche Folgen unser Tun hat, entscheidet nicht allein das konkrete Handeln, sondern mit welcher Einstellung („mindset“) wir etwas tun. Einige verblüffende Studienergebnisse von Ellen Langers Team u.a.:

  • Wer in jungen Jahren gebrechliche Großeltern hatte, tendierte im Alter selbst dazu, weniger aktiv zu leben als Menschen mit rüstigeren Großeltern.
  • Menschen ändern mit steigendem Alter ihre Kleidung. Das müsste sich bei Uniformträgern, die unabhängig vom Alter dieselbe Kleidung tragen, auf die Gesundheit auswirken. Die Ergebnisse von 206 Berufsgruppen über acht Jahre zeigen dies tatsächlich. Uniformträger gingen seltener zum Arzt oder ins Krankenhaus und blieben von chronischen Krankheiten eher verschont.
  • Männer, die früh ihre Haare verlieren, erkranken öfters an Herzkrankheiten und Prostatakrebs.
  • Frauen, die als Zimmermädchen in einem Hotel arbeiteten, sagte man, dass ihre tägliche Arbeit ja einem intensiven Training wie in einem Fitnessstudio entspräche. Nach mehreren Wochen konnte man bei dieser Gruppe im Unterschied zur Kontrollgruppe, der man nichts dergleichen über ihre Arbeit sagte, erstaunliche gesundheitliche Veränderungen feststellen: sie hatte deutlich Gewicht verloren, einen besseren BMI erreicht und einen geringeren Blutdruck. Quelle …
  • Eine Studie in einem Altenheim zeigte: Bewohner, die eine Pflanze in ihrem Zimmer pflegen durften und dabei eigene Aktivitäten entfalteten, hatten nach 1,5 Jahren  eine um die Hälfte verringerte Sterblichkeit als in der ‚passiven‘ Gruppe. (Langer,Rodin 1976/1977)
  • Wie man den eigenen Gesundheitszustand selbst einschätzt, ist wichtiger für die eigene Lebenserwartung als der objektiv gemessene Status (Kaplan, Caramacho 1983).

Die ganzen Untersuchungen zeigen: es sind weniger die körperlichen Veränderungen, die uns im Alter begrenzen, sondern unsere Einstellungen und Erwartungen, dass diese unweigerlich auftreten.

Gesund und leistungsfähig mit fortschreitendem Alter zu bleiben hat also weniger mit gesunder Ernährung, genügend Bewegung usw. zu tun, was nicht heißt, dass sie unwichtig wären. Aber die innere Einstellung spielt demnach eine entscheidende Rolle.

Erfahrungen mit Einstellungen aus meinem Leben.

Seit ein paar Jahren, ich bin 67, bemerke ich, dass ich öfters Dinge vergesse. Die Sängerin eines Lieds im Radio fällt mir nicht mehr ein. Ich gehe in den Keller, um etwas zu holen und im Keller angekommen, weiß ich plötzlich nicht mehr, warum ich hier bin. Anfangs erschrak ich über diese Beobachtungen und tröstete mich etwas widerwillig mit der Erkenntnis: „Das ist jetzt das Alter, da wird man vergesslicher.“ Menschen meiner Altersgruppe bestätigten mir dieselbe Beobachtung. Gemeinsam wiegten wir dann bedenklich die Köpfe und stöhnten: „Ja, alt werden ist nichts für Feiglinge.“

Aber eines Tages fiel mir auf, dass es Ausnahmen gibt. Beim Verfassen eines Blogartikels vergesse ich nie, worüber ich schreiben will. Bei meine Coaching-Sitzungen mit einem Klienten mache ich mir Stunden danach noch Notizen und habe alles präsent. Offensichtlich unterscheidet mein Gehirn, was behaltenswert ist und was weniger. Und das hat etwas damit zu tun, wie wichtig mir etwas ist, also wie sehr ich emotional beteiligt bin.

In ähnlicher Weise propagiert Ellen Langer auch einen konstruktiveren Umgang mit Veränderungen im Leben.

Ihre „Psychologie der Möglichkeit“ besteht aus 2 Stufen:

  1. Zieldefinition
    Die einfache Frage „Wo wollen Sie gerne hin?“ oder „Was möchten Sie gerne erreichen?“ bewirkt eine subtile aber entscheidende Veränderung. Die Frage „Was kann ich noch?“ oder „Womit muss ich mich abfinden?“ würde stattdessen mehr die Anpassung an vermeintliche Grenzen betonen.
  2. Wertfreies Ausprobieren
    Hier schlägt sie vor, verschiedene Alternativen zu testen und dabei (wichtig!) nicht sich selbst zu bewerten, sondern nur, ob ein Versuch erfolgreich war oder nicht.

Dieser Ansatz gefällt mir besonders gut. Schlägt er doch zwei Methoden vor, die ich auch seit Jahren erfolgreich mit Menschen bei der Veränderungsarbeit  in meinen Seminaren nutze: Experimente, um neue Einstellungen auszuprobieren und  Achtsamkeit, um diese subtilen Veränderungen und Grenzen bei sich genau wahrzunehmen. In meinem zweiten Buch habe ich diesen Ansatz genau beschrieben. (Blogbeiträge über Achtsamkeit finden Sie hier und hier.

Normen können innere Einstellungen prägen.

Traditionell legen Untersuchungen von Medizinern und Psychologen Normen fest.

  • Dass man ab 40 eine Lesebrille braucht.
  • Dass das Gedächtnis ab 50 nachlässt.
  • Dass der Testosteronspiegel ab dem 20. Lebensjahr sinkt.
  • Dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern derzeit bei 75 Jahren liegt.

So zutreffend diese Messungen sein mögen, sie haben einen sehr negativen Effekt auf unsere Einstellung. Man übernimmt leicht solche Normen und ordnet Beobachtungen an sich selbst entsprechend zu: „Kein Wunder, dass mein Knie bei bestimmten Bewegungen weh tut, das ist eben so im Alter.“ Andererseits habe ich beobachtet, dass mein Knie beim Joggen nicht schmerzt und auch neunzig Prozent des Tages nicht wehtut.

Achtsamkeit hilft also, Neues auszuprobieren und einzuräumen, dass es mehr als eine Sichtweise gibt. Denn negative Erwartungen führen auch oft zu inneren Einstellungen und Verhaltensweisen, die den angekündigten Effekt erst herbeiführen.

Beispiele für selbsterfüllende Prophezeiungen:

  • Das über die Medien verbreitete Gerücht, dass ab morgen das Benzin rationiert wird, würde zu langen Warteschlangen an den Zapfsäulen führen und den vorausgesagten Benzinmangel erst hervorrufen.
  • Die Nachricht, dass eine Bank bald zahlungsunfähig werden könnte, führt dazu, dass viele Kunden ihre Guthaben dort abheben und so die Bank tatsächlich in die Insolvenz treiben können.
  • Auch eine vermeintliche ADHS-Diagnose kann dazu führen, dass ein Lehrer bestimmte Verhaltensweisen eines Schülers strenger wahrnimmt und diese mit der angeblichen Krankheit erklärt anstatt harmlosere Erklärungen zu erwägen.
  • Selbsterfüllende Prophezeiungen funktioniere auch mit Ratten und auch in die positive Richtung, wie der berühmte Rosenthal-Effekt zeigt.

Älter werden bedeutet dauernde Veränderung. Und das beginnt fatalerweise ab der Geburt. Doch die meisten Menschen  realisieren diesen Wandlungsprozess das erste Mal, wenn sie auf das 40. Lebensjahr zugehen. Auch Beziehungen werden älter – und oft von alleine schlechter.

Wie kann man nun „die Uhr zurückdrehen?“

Von Ingolf Lück las ich mal in der Zeitung, dass er sich  im Keller ein spezielles Zimmer eingerichtet hat. Dort ist eine alte Lightshow installiert, sein Stones-Plakat hängt an der Wand und auf dem Uralt-Plattenspieler Dual 1224 hört er alte Platten und spielt dazu auf der Gitarre „Stairway To Heaven.“

Was könnten Sie nun tun? Hier einige Anregungen für Experimente:

  • Als Paar können Sie sich gemeinsam erinnern, in was beim anderen Partner sich dereinst verliebt haben.
    Je genauer Sie das beschreiben können, umso wertvoller ist die Information – nicht nur für Sie, sondern auch für Ihren Partner. Ich nutze diese Frage manchmal in der Paartherapie und bin oft erstaunt, was für eine positive Stimmungsveränderung bei den beiden eintritt.
  • Erinnern Sie sich, was Sie vor 10 oder 20 Jahren gerne gemacht haben.
    Vielleicht haben Sie gemalt, ein Instrument gespielt, Squash gespielt oder sich für Astronomie interessiert. Warum reaktivieren Sie dieses Interesse nicht und schauen, was es mit Ihnen macht?
  • Definieren Sie ein Ziel: „Was würden ich künftig gern tun?“
    Und dann überlegen Sie sich Wege, wie Sie das erreichen können. Dabei ist Achtsamkeit und eine Haltung des wertfreien Ausprobierens wichtig. Hören Sie weniger auf Ihren „inneren Kritiker“, der Sie laufend bewertet. Sondern achten Sie auf das, was schon ein bisschen geht oder funktioniert. Nehmen Sie Besonderheiten und Unregelmäßigkeiten wahr und bauen Sie diese aus.

zeit-coverInterviews im ZEITmagazin dazu:

Die Titelgeschichte im ZEITmagazin Nr. 22/2016 geht es um „Die Kraft der Gedanken“. Die Autorin Ilka Piepgras hat dazu vier Menschen interviewt, die sich in ihrer Arbeit mit inneren Einstellungen beschäftigen: die beiden Psychologieprofessorinen Ellen Langer und Gabriele Oettingen, den Sport-Coach Arno Schimpf  – und mich! 

Hier können Sie den ZEITmagazin-Artikel lesen

Gerade keine Lesebrille zur Hand?  😉
Sie können sich den Beitrag hier auch anhören.

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Foto: © eljoja via VisualHunt.com, Tom Bayer – Fotolia.com, privat

Zu diesem Artikel wurde ich durch die Titelgeschichte in PSYCHOLOGIE HEUTE 6/10 angeregt.
Etliche Passagen habe ich dort entnommen und mit meinen Gedanken ergänzt.
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