Die doppelte Lisbeth

Stellen Sie sich vor, Sie fahren einen Mittelklassewagen. Einen guten. Sie sind zufrieden damit und haben sich an ihn gewöhnt. Plötzlich schenkt Ihnen jemand noch einmal das gleiche Model. Besser ausgestattet zwar, mit größerem Motor und schickerer Lackierung, aber letztlich doch das gleiche Auto. Würden Sie sich darüber freuen? Oder würden Sie die Stirn in Falten legen und überlegen, was sie damit eigentlich anfangen sollen?

So ähnlich verhält es sich mit der Neuverfilmung von Verblendung. Weil das amerikanische Publikum weder Untertitel noch Synchronfassungen akzeptiert, adaptierte Hollywood Stieg Larssons Weltbestseller nur zwei Jahre nach Niels Arden Oplevs schwedischer Fassung noch einmal.

Nah an der Vorlage erzählen Meisterregisseur David Fincher und Drehbuchautor Steven Zaillian (Schindlers Liste) in Verblendung von der Jagd auf einen Frauenmörder. Industriemagnat Henrik Vanger ( Christopher Plummer) beauftragt Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig) mit der Aufklärung eines 40 Jahre zurückliegenden Verbrechens. Damals verschwand seine halbwüchsige Nichte von der sich im Familienbesitz befindlichen Insel. Der Täter muss also aus dem nächsten Umfeld stammen. Unterstützt wird Blomkvist von der jungen Hackerin Lisbeth Salander (Rooney Mara). Das ungleiche Paar entpuppt sich als perfektes Ermittlerteam.

Ist Rooney Mara besser als Noomi Rapace?

Verblendung ist finstere, angenehm komplexe und angemessen brutale Krimikost. David Fincher (Fight Club) bietet der Stoff die Gelegenheit, eine Trilogie für ein erwachsenes Publikum anzustoßen – jenseits von Twilight und Harry Potter. Daniel Craig kann eine interessante Hauptfigur über mehrere Filme hinweg prägen – jenseits von James Bond. Und Rooney Mara darf in der heimischen Filmpreisvitrine schon mal Platz schaffen. Für den Golden Globe als beste Darstellerin wurde sie bereits nominiert.

Ob man Noomi Rapaces kernige Lisbeth Salander Rooney Maras vergleichsweise zarter – aber nicht minder furioser – Interpretation vorzieht, ist Geschmackssache. Wie Fincher und Mara die Figur nur mittels der Beleuchtung, des Einstellungswinkels und ihres Kapuzenpullis zwischen brutal und zerbrechlich, zwischen geschundenem Kind und liebeshungriger Amazone wechseln lassen, ist ein Genuss.

Verblendung ist alles – nur nicht überraschend

Überhaupt wird, wer handwerkliche Qualität zu schätzen weiß, seine helle Freude an Finchers Verblendung haben. Seien es die Kargheit der schwedischen Winterlandschaft, die Ermittlungsarbeit der beiden Hauptfiguren oder der Moment, in dem der Täter seine Maske fallen lässt: Inszenierung, Kamera und Schnitt sind brillant, ebenso der eigenwillige knarzende und sägende Ambient-Soundtrack von Atticus Ross und Trent Reznor.

Nur überraschend ist das alles nicht, wenn man Vorlage oder Erstverfilmung kennt. Fincher und Zaillian setzen keine gewagten Schwerpunkte, sondern gehen in ihrer Adaption inhaltlich auf Nummer sicher. Verblendung krankt darum an den gleichen Schwächen wie die Vorlage. Es bleibt die formal überragende Interpretation eines mittelprächtigen Krimis. Das ist viel, aber eben doch zu wenig – wenn man schon eine sehr gute Interpretation in der Garage … pardon, im DVD-Regal stehen hat.

Bestes Zitat: «Sie ermitteln unter Dieben, Geizkragen, Rüpeln und der widerwärtigsten Ansammlung von Menschen, die sie je gesehen haben: meiner Familie.» (Henrik Vanger erläutert Mikael Blomkvist seine Aufgabe.)

Titel: Verblendung
Regie: David Fincher
Darsteller: Daniel Craig, Rooney Mara, Christopher Plummer, Stellan Skarsgård, Robin Wright
Verleih: Sony
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Kinostart: 12. Januar 2012

Quelle:
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«Verblendung» – Die doppelte Lisbeth

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