Die Catholica – eine Kirche in Armut?

miz2_13Die Zeitschrift MIZ – Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen – wid­met sich in ihrer aktu­el­len (und wie­der sehr ver­spä­tet erschie­ne­nen) Ausgabe 2/13 dem Schwerpunktthema “Papst Franziskus und die Vision einer Kirche in Armut“ zu. Hier geht es um den media­len Hype um den neuen Bergoglio-Papst. Für die MIZ-Autoren han­delt es sich hier um nichts ande­res um eine gekonnte Kommunikationsstrategie der vati­ka­ni­schen Kurie…. Einen zwei­ten the­ma­ti­schen Themen-Schwerpunkt bil­den meh­rere Beiträge über den (bun­des­deut­schen) Staat und Religionen.

Es ist wie­der ein­mal so weit: Seit der Italo-Argentinier Jorge Mario Bergoglio (geb. 1936) von der Kurie zum Ratzinger-Nachfolger gekürt wor­den ist, setzt bei vie­len Menschen (ja, sogar bei Linken und Laizisten) der Verstand aus. Man läßt sich von schö­nen Parolen, wie „Kirche bzw. der Papst der Armen” und „Kirche in Armut”, blen­den und blen­det dabei aus, daß es sich hier nur um eine gekonnte PR-Strategie han­delt mit dem ein­zi­gen Ziel, die Macht der Priesterkaste über Mensch und Gesellschaft zu erhal­ten und wie­der zu fes­ti­gen. Als nahezu ein­zi­ges Medium hin­ter­fragt die MIZ diese Parolen.

Eigentlich ist zum Thema alles schon von Bertolt Brecht auf den Punkt gebracht gesagt wor­den: “Reicher Mann und armer Mann // stan­den da und sahn sich an. // Und der Arme sagte bleich: // »wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«.” (Alfabet, 1934)

Was steckt hin­ter der päpst­li­chen Armutsrhetorik?

Treffend hat daher Gunnar Schedel das Editorial auch mit „Armutsrhetorik” über­schrie­ben. Hierin führt er u.a. aus: „Dass Kirche und Armut in einer enge­ren Beziehung ste­hen, ist nicht von der Hand zu wei­sen. Nur in wel­cher? [...] Eine Kirche, mate­ri­ell arm, aber reich im Geiste? Oder fin­den wir die Armut vor allem auf Seiten der Gläubigen? Ist die Kirche Sammelbecken der bedräng­ten Kreaturen, die keine Perspektive sehen, ihrer Armut in die­sem Leben zu ent­flie­hen? [...] Die wach­sende Armut im Land wird von kirch­li­chen Sozialkonzernen mit­ver­wal­tet, deren Führungspersonal durch­aus mal mit einen Jahresgehalt von 500.000 Euro nach Hause geht. Wenn da die Glaubensfestigkeit zunimmt, liegt es daran, dass für Caritas-Beschäftigte der Job dran­hängt. [...]

(Dass der neue Papst sein Bekenntnis zur Armut just bei einer „Audienz für Medienvertreter” äußerte war inso­fern mög­li­cher­weise kein Zufall.) Und wie immer, wenn Wunschbilder bedient wer­den, dau­ert es, bis die Inszenierung hin­ter­fragt wird. Dabei wäre das drin­gend gebo­ten. [...]

Armut als Gottvertrauen – ein ebenso beein­dru­cken­des wie bezeich­nen­des Ergebnis sei­ner Worthülsen-Jonglage [...] Die ganze Armutsrhetorik muss im welt­kirch­li­chen Zusammenhang gese­hen wer­den. Als Südamerikaner kennt Bergoglio die Erfolge der Evangelikalen [...] Die ver­kau­fen Hoffnung der­zeit bes­ser als die katho­li­sche Kirche. Um hier wie­der Boden gut zu machen, strebt der Vatikan nach einem bes­se­ren Image.

Und in einem sind sich evan­ge­li­kale Prediger und katho­li­sche Bischöfe einig: Armut muss Armut blei­ben. Und gesell­schaft­li­che Veränderungen, die hier Abhilfe schaf­fen, ste­hen nicht auf dem Programm.” (S. 1 – 2)

Davon aus­ge­hend hat Nicole Thies ihren Beitrag über­schrie­ben mit „Nomen es omen – oder: kir­chen­po­li­ti­sche Inszenierung von cha­ris­ma­ti­scher Herrschaft”. Ihre Ausführungen faßt sie so zusam­men: „Die Inszenierung des Papstes als neuer ‚Franziskus‘ ist film­reif: der Papst der Armen, die Kirche der Armen und eine Kirche für die Armen – welch‘ große Bilder und welch‘ ein Mummenschanz! Sollte man mei­nen… aber der cha­ris­ma­ti­sche Name ist Programm mit kla­ren Motiven: das Stärken der Amtskirche, das Kanalisieren, das Beschwichtigen und Rückführen von sozia­len Gegenströmungen, die Bekämpfung des ver­meint­li­chen Unglaubens. Und genau darin ähnelt der Franziskus-Papst dem his­to­ri­schen Franziskus mehr als gerade zu ver­neh­men ist.” (S. 3)

Noch deut­li­cher wird Gabriele Röwer mit ihren Über­le­gun­gen zu kirch­li­chen und außer­kirch­li­chen Hintergründen einer Papst-Wahl: „Franziskus – ‚Papst der Armen‘?” Gleich mit dem ers­ten Satz gibt sie eine wich­tige, vom Mainstream stets aus­ge­blen­dete, Antwort über den ers­ten Jesuiten auf dem soge­nann­ten „Heiligen Stuhl”: „Eingetreten bereits 1958 in den größ­ten Männerorden der Welt mit den Idealen eines Bettelordens, der über ein Milliardenimperium mit etli­chen Aktienpaketen mul­ti­na­tio­na­ler Konzerne ver­fügt…” (S. 7)

Und sie stellt wei­ter die Frage, ob diese Papstwahl wirk­lich „über­ra­schend” war, oder diese macht­po­li­ti­schen Kalkülen wirt­schaft­li­cher, poli­ti­scher oder kle­ri­ka­ler Potentaten ent­sprang.

Eingehend auf die „Charme-Offensive fast ohne­glei­chen” (Besuch bei Flüchtlingen auf Lampedusa) heißt es in ihrem Artikel: „Ein Kommentator fragte indes, was Franziskus hin­dere ‚die Milliarden, die die katho­li­sche Kirche gebun­kert habe, in die Hand zu neh­men, um den Flüchtlingen zu hel­fen‘, ein ande­rer, was ihn hin­dere, die Tore des Vatikans für die Schutzsuchenden zu öff­nen. Über den Milliarden-Reichtum die­ser Kirche u.a. an Gold, Firmenbeteiligungen, Immobilien und Landbesitz, zumal in den über­wie­gend katho­li­schen Ländern Lateinamerikas, seit Jahrhunderten vor allem gewon­nen durch Schröpfung und Schindung der Massen [...] von die­sem den meis­ten kaum vor­stell­ba­ren hor­ren­den Reichtum der Kirche’ äußere sich auch die­ser Papst, wie all seine Vorgänger, nicht.” (S. 8)

In den Anmerkungen auf S. 15 erwähnt die Autorin, daß der Reichtum der bei­den Großkirchen allein in Deutschland sich auf etwa 500 Milliarden Euro incl. Geldvermögen in Höhe von ca. 150 Milliarden Euro belau­fen würde.

Ein län­ge­rer Absatz die­ses Artikels beschäf­tigt sich mit mög­li­chen poli­ti­schen Hintergründen die­ser Papstwahl und zieht hier Parallelen zur Inthronisation des pol­ni­schen Wojtyla-Papstes. Sei es damals gegen den Sozialismus sowje­ti­scher Prägung in Osteuropa gegan­gen, so sei jetzt Lateinamerika mit sei­nen Ressourcen als bis­he­ri­ger Hinterhof der USA das Ziel. (Stichworte Befreiungstheologie und Sozialismus des 21. Jahrhunderts).

Ebenfalls tref­fend hat Frank Welker sei­nen Beitrag so geti­telt „Religionen brau­chen Armut”. Er geht hierin auf den Zusammenhang von Religion und Armut ein und kon­sta­tiert: „Tatsächlich ist reli­giöse Armutsbekämpfung nur sel­ten mehr als die Bewahrung des gesell­schaft­li­chen Status quo.” (S. 17)

Und das würde nicht nur für die halb­ko­lo­nia­len „Bananenrepubliken” im Hinterhof der USA gel­ten, son­dern seit der Kanzlerschaft des SPD-Mannes Gerhard Schröder auch für die „Suppenküchenrepublik” Deutschland.

Zusammenfassend schreibt Welker: „Wenn die Kirchen es mit der Armutsbekämpfung ernst mei­nen, dann seien sie hier­mit dazu auf­ge­ru­fen, mit der säku­la­ren Bewegung an ihrer eige­nen Abschaffung zu arbei­ten und für einen fai­ren und sozia­len Staat zu kämp­fen.” (S. 19)

Staat und Religionen – Islamunterricht als Mittel zur Integration?

Zum Themen-Komplex „Staat und Religionen” zäh­len Beiträge von Armin Schreiber über bun­des­deut­sche Feiertagsgesetze und die kle­ri­kale Bevormundung unse­rer Gesellschaft („Brian bla­miert Bochum”), von Roland Ebert („Islamunterricht als Mittel zur Integration?”), von Rainer Ponitka („Wahlkampfgetöse – Union macht Grüne für Aushöhlung der reli­giö­sen Identität ver­ant­wort­lich”) sowie ein Interview mit Dirk Verhofstadt zum Reichskonkordat.

Allesamt fak­ten­reich, argu­men­ta­tiv und unbe­dingt lesens­wert. Eine Bemerkung sei zu Ponitkas Artikel gestat­tet. Er geht auch auf mehr­fach geäu­ßerte Vorschläge einer Kultursteuer für alle Bürger anstelle der „Kirchensteuer” (= Mitgliedsbeitrag der Kirchenmitglieder für ihre eigene Kirche) ein:„…der Vorschlag einer scheint mir so, als müss­ten alle, die nicht Mitglied eines Karnickelvereins sind, einen glei­chen Beitrag an einen ande­ren Verein abfüh­ren.” (S. 36) Zu den Vorkämpfern für solch eine Zwangsabgabe durch alle zählt übri­gens auch der linke Fraktionschef im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow.

Daniela Wakonigg hat auch zu die­ser MIZ-Ausgabe eine köst­li­che Satire beige­steu­ert „Neulich… in Lourdes”. Ein klei­nes Zitat dar­aus spricht Bände: „Eine höchst erstaun­li­che Form des Denkens, die man unter reli­giö­sen Menschen recht häu­fig fin­det: Wenn mein Hautausschlag schwin­det, nach­dem ich in Lourdes war, ist es ein gött­li­ches Wunder und keine Folge des süd­fran­zö­si­schen Klimas oder einer psy­chisch aus­ge­lös­ten Selbstheilung. Wenn Lourdes aber über­schwemmt wird, hat Gott damit selbst­ver­ständ­lich nichts zu tun.” (S. 47)

Wissenswertes aus Deutschland und aller Welt

Der „Zündfunke” gibt einen klei­nen Rückblick auf Aktionen, Medienarbeit, Vorträge u.a. mit Beiträgen von Daniela Wakonigg über eine säku­lare Frauenkonferenz in Dublin, Jörg Schnückel über eine Tagung im Ruhrgebiet zum Thema „80 Jahre Hitler-Vatikan-Pakt” sowie (lei­der viiiel zu kurz) von Frank Nicolai über den Humanistentag in Hamburg.

Meldungen aus Deutschland und aller Welt gibt es in der „Internationalen Rundschau” zu lesen. Hervorzuheben ist hier, daß sich der Deutsche Kulturrat mit deut­li­chen Worten gegen eine enge Verbindung von Staat und evan­ge­li­scher Kirche im Hinblick auf das Reformationsjubiläum aus­ge­spro­chen hat. Denn die Reformation sei eine rein reli­giöse Angelegenheit, die den welt­an­schau­li­chen Staat nichts angehe – das aber würde Merkels Kulturstaatsminister Neumann völ­lig igno­rie­ren.

Und in eige­ner Sache teilt die MIZ dann noch mit, daß sich die Preise für das Jahresabonnement (von 15 auf 18 Euro) und für das Einzelheft (von 4 auf 5 Euro) ab 2014 mode­rat ange­ho­ben wer­den müß­ten. Erstmals seit 2002. Angekündigt sind auch damit ein­her­ge­hende redak­tio­nelle und gestal­te­ri­sche Verbesserungen. Dazu heißt es: „Und natür­lich soll die MIZ als Stimme des Laizismus grö­ßere Verbreitung fin­den.” (S. 62) Das dürf­ten sicher­lich auch die in den letz­ten Jahren ent­stan­de­nen lai­zis­ti­schen Zusammenschlüsse in SPD, LINKE, GRÜNE und Piraten mit Freude ver­neh­men.

Siegfried R. Krebs

MIZ – das bedeu­tet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann beim Alibri-Verlag Aschaffenburg bezo­gen wer­den.


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