Die Angst vor der Angst

Die Angst vor der Angst

Tod, Terror, Krebs, Liebesentzug, Armut, Arbeitsplatzverlust, Falten, Bakterien, Seelenschmerz. Es gibt tausend Gründe vor etwas Angst zu haben. „Ich habe Angst vor (...)“ ist ein häufig ausgesprochener Satz, wenn man sich mit Menschen unterhält, die etwas über sich mitteilen – bewusst oder unbewusst. Angst vor.

Die Angst war meine ständige Begleitung und ich habe wohl Jahre damit zugebracht, sie überhaupt wahrnehmen zu können. Mich an sie heran zu trauen. Sie zu betrachten und zu fühlen. Mich sogar mit ihr anzufreunden. Es gibt ebenso zahlreiche Mittel und Strategien Angst einzusperren oder zu verdünnen wie es individuelle Formen von Angst gibt. Meine mir persönlich vom Schicksal zugeteilte Angst brach sich vor etwa 15 Jahren mit einer Panikattacke ihre Bahn. In dieser Zeit war ich schwanger und meine meine Mutter auf der Intensivstation im Koma, sie litt an den Folgen eines zelebralen Aneurysmas. Manchmal hat die Seele zu viel zu verarbeiten und dann kann sich die Angst auf der körperlichen Ebene unmissverständlich zeigen. Die Attacke kam auf dem Weg zum Kindergarten wo ich meine Tochter abholen wollte. Plötzliche Atemnot, Rauschen im Solar Plexus, unverdünnte ANGST, eine Stippvisite vom Herrn Sense-Mann – so nannte ich es, auch weil ich gern Scherze treibe, wenn es besonders ernst wird. Ein Arzt fragte mich: Wovor haben Sie Angst? Ich antwortete: Ich bin Angst! Unter gar keinen Umständen wollte ich diesen Zustand noch einmal erleben.

Also war ich fortan damit beschäftigt, in mich hinein zu horchen und rutschte dabei in den nächste Einbahnstraße: die Angst vor der Angst. Ein gut funktionierendes Gefängnis, denn ich war ja der Wärter, ehrgeizig, zuverlässig, zwanghaft. Es folgten intelligente Vermeidungsstrategien kombiniert mit Rotwein, Selbsterfahrungs-Workshops, Yogakursen, geführte Atemmeditationen, stundenlangen Sitzungen beim Therapeuten. Teuer heulen nannte ich es. Es wurde mal besser, aber auch mal schlechter. Und dann kam ich drauf, dass, wenn man etwas auf gar keinen Fall haben oder fühlen will, es sich wie von Zauberhand verstärkt.

Nach dieser Erkenntnis folgte meine couragierte Phase: den Wächter entlassen und die Angst zulassen. Dabei lernt man sich selbst so richtig schön kennen. Und das meine ich mit der vollen Ladung Ironie, denn diese Art der Zwiesprache würde ich als die Meisterklasse auf dem Yoga-Pfad oder wahlweise beim Therapeuten bezeichnen. Mein Yogameister David Lurey pflegte zu sagen: „It is not about rainbows and unicorns.“ Einmal heulte mein Therapeut während einer Sitzung sogar mit. Ein von Depressionen geplagter Freund sagte: „Du löst schwarze Tabletten auf.“ Das Einzige was ich nicht probierte waren Psychopharmaka – davor hatte ich ironischerweise zu viel Angst.

Angstfrei. Angst im Anflug. Angsthase. Angstaura. Angst essen Seele auf. Alter Affe Angst. Vor wenigen Wochen habe ich mir den Film „Mängelexemplar“ angeschaut, weil ich etwas über die Schauspielerin Claudia Eisinger schreiben durfte. Zusammen mit dem Film „Toni Erdmann“ mit Sandra Hüller sind es die großartig umgesetzten Erzählstoffe über die Kraft von Angst und über die Kraft von Liebe. Zwei Schauspielerinnen, zwei Regisseurinnen; Laura Lackmann drehte „Mängelexemplar“, Maren Ade „Toni Erdmann“. Ich sah „Mängelexemplar“ ein zweites Mal mit meiner Tochter, sie ist gerade 20 geworden, sie weinte an denselben Stellen wie ich. Ich bin den vier Künstlerinnen dankbar für ihr Können, ihren Mut, sich so zu zeigen und sich mit Humor und Fingerspitzengefühl mit der Angst und ihren Chancen zu verbinden. Wir alle sind so derartig verletzlich und schützenswert und immer wieder auch wie kleine Kinder, die einfach in den Arm genommen werden wollen. Berührt werden, gesehen werden, vielleicht geheilt werden. Von dem Gefühl der Angst – einem Gefühl, das eigentlich nur die Abwesenheit von Vertrauen und Liebe signalisiert. Oder uns aufzeigen möchte, dass wir da draußen bestimmt Hilfe bekommen, um nach drinnen zu schauen. Voraus gesetzt, wir richten uns in unserer Angst nicht häuslich ein, es ist wichtig, die eigenen Räume licht und gut gelüftet zu bewohnen. Gelegentlich (lustige) Gäste einzuladen. Es ist auch hilfreich wach und mitfühlend zu sein für unser Gegenüber. Kleine Gesten können kleine Ängste nehmen, große Gesten können große Ängste umwandeln.

Der Philosoph Jiddu Krishnamurti hat gesagt: „Die Angst ist verschwunden, wenn man ihr seine volle Aufmerksamkeit gewidmet hat.“


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