Der vom Westen traumatisierte Süden

Ja, die Kritik an Israels »Außenpolitik im Inneren« erzeugte antisemitische Auswürfe. Diese gilt es hierzulande zu verurteilen und, falls justiziabel, zu verfolgen. Aber hinter dem Antisemitismus können sich diejenigen, die Israels Vorgehen moralisch legitimieren wollen, nicht verstecken. Was im Nahen Osten geschieht, ist ja nicht einfach nur ein Konflikt. Hier verläuft eine Frontlinie zwischen dem Westen und denen, die den Westen zu hassen gelernt haben.

Der vom Westen traumatisierte Süden

Jean Ziegler / Quelle: Wikipedia

Insofern ist der Einsatz in Gaza mehr als nur eine Auseinandersetzung zwischen dem Staat Israel und den Palästinensern. Nicht einfach nur ein Bürgerkrieg zweier Seiten, die sich gegenseitig zu beweisen suchen, wer mit diesem Konflikt begonnen habe. Es ist ein Stellvertreterkrieg, wenn man so will. Einerseits ein westlicher Staat, der weitestgehend die Solidarität seiner westlichen Partner genießt - und andererseits ein Volk des Trikont, das vielfältig Erfahrungen mit westlichen Mächten machte und von den blockfreien Staaten Verständnis erhält. Die palästinensische-arabische Ablehnung Israels und die dazugehörige Aggression lässt sich schlicht nicht bloß mit einem  »tief verwurzelten Antisemitismus« oder gar »muslimisch begründeten Judenhass« begründen. Dahinter steckt viel mehr. Es ist die Ablehnung, ja der Hass auf den Westen, der in arroganter, doppelmoralischer und zynischer Art mit dem Trikont herumspringt.

Jean Ziegler schrieb vor einigen Jahren genau zu diesem Thema ein Buch. Es hieß: »Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren«. Er vertritt darin die These, dass die Völker des Südens schwer traumatisiert seien durch die Verletzungen des Kolonialismus, der Sklaverei und der Ausbeutung. Zu diesem Trauma gesellt sich die Arroganz und die moralische Überheblichkeit des Westens, die im Kollektivempfinden dieser Völker Hass verursachen. Den aufgeklärten Anti-West-Kurs mancher Länder in Südamerika, sieht er ebenso als Produkt eines emanzipatorischen Dranges, wie all die radikalen Bewegungen des Südens. Dass aber beispielsweise der IS keine Alternative für ein Gelingen des globalen Miteinanders sein kann, steht auch für Ziegler fest.
Im Nahen Osten verläuft eine dieser »weichen Stellen« zwischen Westen und Süden, sozusagen eine Fontanelle, die ständig Gefahr läuft, eingedrückt zu werden. Wenn die muslimische Welt rumort, weil Israel den Gazastreifen attackiert, dann ist das nicht einfach nur irgendein islamischer Antisemitismus oder Judenhass, der die Menschen dazu bringt, sondern es diese abermalige Aktion des Westens gegen den Süden, dieser weitere westliche Angriff auf die trikontinentale Würde, die wütend werden lässt. Und es ist Ohnmacht. Ziegler erzählt, dass die Menschen der südlichen Hemisphäre schon lange nichts mehr vom Westen erwarten. Sie haben diese Heucheleien satt. Glauben den westlichen Verheißungen von »Demokratie« und »Menschenrechten« nicht mehr. Am Fallbeispiel von Nigeria erläutert Ziegler, wie der Westen und seine südlichen Eliten eines der an Rohstoffen reichsten Länder der Welt so sehr ausplündern, dass es zu den ärmsten Ländern der Welt gezählt werden muss.
Warum stellen sich ausgerechnet viele Linke auf Seite Palästinas, verteidigen die Hamas und wenden sich gegen Israel? Diese Frage haben sich in den letzten Wochen einige gestellt. Das sei der strukturelle Antisemitismus der Linken, war eine beliebte Antwort. Natürlich gibt es auch Linke, die antisemitisch eingestellt sind. Meist unbewusst. Allerdings ist das nicht die vollumfängliche Antwort darauf. Die politische Linke steht deshalb gegen diese israelische Politik, weil sie diesen globalen Krieg des Westens gegen den Süden dahinter wittert. Der Gazastreifen ist nicht einfach nur ein Konfliktherd, sondern eben eine Zone des Aufeinandertreffens der historisch bedingten Benachteiligten gegen die Liga derer, die seit Jahrhunderten die restliche Welt unter sich aufteilen.
Man muss gewisse radikale, ethno-rassistische oder tribalistische Exzesse nicht gutheißen. Sie aber einfach als Barbarei abzutun, als das in die Welt gekommene Böse, das jetzt beweise, wie gut der Westen doch letztlich sei, das gehört ins Spektrum des spezifisch westlichen Rassismus. Der Islamische Staat ist eben nicht nur das Böse - er ist eine Reaktion auf die doppelzüngige Politik des Westens. Die Hamas ebenso. Sie ist in weiten Teilen judenfeindlich und will programmatisch die Beseitigung Israels - ohne diese Exzesse zu entschuldigen: Auch das sind Früchte des Hasses auf den Westen. Das muss man zumindest verstehen. Ohne es gleich gutzuheißen.
Es sind halt Ausgeburten dieses wirtschaftlichen Weltkrieges, den der Westen gegen den Süden führt. Mit radikalen Antworten gießen südliche Gruppierungen freilich Öl ins Feuer. Aber andererseits zeitigen Traumata manchmal irrationale Verhaltensmuster. Taliban, IS oder Hamas, aber auch simbabweanische Schlägertrupps oder die Raza cobriza, sind solche Muster. Sie sind insofern vom Westen geschaffene Geister, sind Reaktionen und sie einfach nur als »das Böse« zu etikettieren, ist zu plump und wie gesagt Teil eines rassistisch geprägten West-Chauvinismus. Die Terrorangst des Westens wird nie ein Ende finden, wenn er nicht aufhört, sich als »universelle Weltmacht« zu begreifen. Wenn er einsieht, dass er Traumata verursacht hat und diese immer weiter vertieft und mit seiner Haltung die Gemüter des Südens zum Kochen bringt, dann kann dieser Planet auch ohne Fanatiker »organisiert« werden. Aber nur dann.
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