Der Stadtwanderer

Seit Anfang dieses Jahres bin ich stolzer Verfasser einer regelmässigen Kolumne in der «ProgrammZeitung», einer monatlich erscheinenden Zeitschrift zum Kulturgeschehen in und um Basel. Die Kolumne läuft unter dem Titel «Stadtwanderer» und ist geschrieben – wen wunderts – aus der Sicht eines Stadwanderers. Und der ist – wen wunderts – mein alter Ego: ein genauer, manchmal auch verträumter Beobachter mit Hang zur Melancholie, immer unterwegs und deshalb eher Zaungast denn Teilnehmer des Geschehens. Doch er blickt durchaus liebevoll auf das, was er auf seinen Wanderungen antrifft, liebt den feinsinnigen Humor, die Poesie und ist gar etwas philosophisch veranlagt, tiefsinnig, könnte man auch sagen. Hier meine erste Kolumne:

Das Dach der Welt.

Ein Glücklicher, wer in Basel zu Fuss unterwegs ist! Er hat kein Parkplatzproblem und geniesst Freiheiten und Vorzüge, auf die selbst NutzerInnen des öffentlichen Verkehrs verzichten müssen. So ging es mir durch den Kopf, als ich letzthin den Rhein entlang zog. Ich kann ausschreiten, wo andere anstehen. Der Wind streicht mir durchs Haar – oder pfeift um meine Ohren, je nach Wetterlage. Und ich nehme Basel deutlicher, vielleicht unverfälschter wahr, als wenn ich auf Rädern unterwegs wäre. So fällt mir immer wieder auf, dass jedes Quartier anders riecht, oder ich bleibe verwundert an einem Ort stehen, wo ich klar empfinde: Hier ist noch nie ein Mensch stehen geblieben. Es gibt solche Orte. Andere  verströmen eine leise Melancholie, als würden dort Jahrhunderte seufzen.

Solche Orte interessieren mich als Stadtwanderer. Deshalb bin ich unterwegs. Ich bin auf der Suche nach besonderen Winkeln, die nirgends als solche aufgeführt sind. Man kann sich ihnen nur zu Fuss nähern.

Die Dreirosenbrücke ist so ein Ort. Sie ist das Dach von Basel, für mich geradezu das Dach der Welt. Horizonte, wohin ich schaue. Es riecht nach Weite. Niemand geht ungerührt hier vorbei, es sei denn, er ist in ein Fahrzeug gesperrt – oder ins Souterrain der Brücke verbannt, aus dem zwischendurch, wie von weit her, das Gebrüll des Verkehrs dringt.

Auf der einen Seite der Brücke in der Ferne der Jura mit dem Gempen und den sich verlierenden Hügelzügen, Richtung Norden die südbadische Lieblichkeit – und die Chemie. Darin eingebettet, gross und klein zugleich, das geliebte Basel, wie ein Spielzeugmodell vor unseren Augen ausgebreitet. Und darin ein Riss, der sich durchs ganze Modell zieht: der Rhein. Uns gegenüber, nicht allzu weit, die geschäftige Johanniterbrücke und dahinter die Mittlere Rheinbrücke, Zeugnis einer anderen Zeit und, zusammen mit dem Münster, der ganze Stolz der Spielzeugwelt vor unseren Augen.

Da stören auch die paar Bauklötze wenig, die in neuerer Zeit hinzugekommen sind, als seien sie aus einem überdimensionierten Würfelbecher willkürlich über die Stadt gestreut. Vom Dach der Welt aus ist Basel immer noch ein Idyll am Rheinknie.


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