Der Schamane und die Schlange

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Der Schamane und die Schlange

9Drama

Inspiriert von den Tagebüchern des deutschen Anthropologen und Forschungsreisenden Theodor Koch-Grünberg und des amerikanischen Biologen Richard Evans Schultes erzählt der kolumbianische Filmemacher Ciro Guerra in Der Schamane und die Schlange ein bildgewaltiges Zivilisationsepos. Der Plot folgt den gespenstischen Protagonisten auf einer Reise ins Herz der Finsternis, deren schwarz-weiße Aufnahmen zwischen Schrecken und atemberaubender Schönheit mäandern.

Der Ureinwohner, der in zwei Handlungssträngen zwei Männer durch den Dschungel des Amazonasgebiets führt, sieht sich selbst nur noch als Wiedergänger: ein „Chullachaqui“. Die dämonische Urwaldkreatur verkörpert die Nachtseite der menschlichen Seele. Ihre Opfer lockt sie tief in den Dschungel, wo selbst die erfahrensten Fährtenleser nicht mehr zurück finden. Von diesem dunklen Ort voller beängstigender Geräusche und wilder Tiere scheint der Hauptcharakter Karamakate zu kommen. Das erste mal begegnet er dem Zuschauer im Jahr 1909 als junger Schamane (Nilbio Torres), der mit kritischen Augen die Ankunft des deutschen Forschers Theo (Jan Bijvoet) und seines einheimischen Führers Manduca (Miguel Dionisio Ramos) beobachtet.

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Sein Stamm wurde von weißen ermordet. Dennoch willigt er ein, Theo bei der Suche nach einer sagenumwobenen Pflanze namens Yakruna zu helfen. Von ihr erhofft sich Theo Heilung von seiner tödlichen Krankheit. Im Gegenzug verspricht er Karamakate, ihm bei der Suche nach Überlebenden seines Stammes zu helfen. In den in monochromen Farben eingefangenen Tiefen des Dschungels erwartet die Männer Brutalität und religiöser Fanatismus, jedoch keine Erlösung. Ein spanischer Priester zwingt in einer katholischen Mission die einheimischen Waisen, deren Familien von Gummi-Bauern ermordet wurden, ihre Sprache und Namen abzulegen. Das pervertierte Konzept, dass die Seelen der Einheimischen retten soll, ist nur eine der Folgen der kolonialistischen Gier.

Das Drehbuch von Guerra und Jacques Toulemonde Vidal macht das bekannte Unrecht an den Ureinwohnern auf verstörende Weise fühlbar. Gleichzeitig erinnert die differenzierte Erzählung daran, dass das Bild des „edlen Wilden“ ebenfalls ein herabwürdigendes Klischee der weißen Eroberer ist. Selbst der wohlmeinende Theo muss die Unmöglichkeit, die Lebensweise der Eingeborenen unbeeinträchtigt zu lassen, erkennen. Sein Versuch, beim Kontakt fremder Kulturen nur eine Seite – seine Seite – Wissen übernehmen zu lassen, ist letztlich auch eine Form der Entmündigung. Theo und der an die westlichen Bräuche angepasste Manduka sind Teil der Unterdrückung geworden, die sie ablehnen.

Ähnliches gilt für den amerikanischen Biologen Evans (Brionne Davis), den Karamakate drei Jahrzehnte später erneut auf der Suche nach Yakruna durch den Dschungel führt. Der Schamane ist nun ein desillusionierter alter Mann (Antonio Bolivar), der den Untergang seiner Kultur betrauert. Der erzählerische Ton wandelt sich mit dem Wesen des Hauptcharakters. Die an Apocalypse Now und Fitzcarraldo erinnernde Manie des ersten Akts weicht einer elegischen Ruhe. Carlos Garcias brillante Musik verleiht dem dantesken Abstieg in die Grüne Hölle eine opernhafte Eleganz.

Am Ende verschwindet Karamatake im Schatten der Bäume, aus dem er kam: ein Sinnbild für das Verschwinden seiner Welt. Einmal heißt es während des soghaften Bilderrausches: „Manche verirren sich und kehren niemals wieder.“ Etwas von diesem Gefühl vermittelt die eindringliche Parabel.

Regie: Ciro Guerra, Drehbuch: Ciro Guerra, Jacques Toulemonde Vidal, Darsteller: Nilbio Torres, Jan Bijvoet, Antonio Bolivar, Brionne Davis, Filmlänge: 125 Minuten, Kinostart: 01.04.2016, gezeigt auf der Berlinale 2016, embraceoftheserpent.oscilloscope.net


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Autor

Lida Bach

 
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