Der Samurai und die Flöte • Teil 1 von 2 • Sage aus Japan

Vor vielen Jahren reiste ein junger Samurai im Auftrag seines Gebieters mit einem Brief nach der Stadt Shimizu. Er schritt rüstig voraus und ließ sich nirgendwo aufhalten. Er war bereits einige Tage unterwegs, und da er ein guter Wanderer war, kam er rasch seinem Ziel näher. Er war nur noch wenige Stunden von der Stadt entfernt, als er an eine liebliche Wasserlandschaft am Mogami-Fluß kam. Der Strom hat an dieser Stelle Seitenarme, die sich zu Seen und Mooren ausweiten. Der junge Mann beschloss, hier ein wenig zu rasten. Er zog seinen Imbiss hervor, und als er sich gesättigt hatte, holte er seine Flöte aus dem Gürtel und ergötzte sich für eine Weile mit zarten Melodien. Er glaubte sich ganz allein, nur mit den Wasservögeln als Gesellschaftern. Einige alte Weidenbäume standen in der Nähe und ließen ihre biegsamen langen Zweige wie hellgrüne Schleier auf das Wasser hängen.

Der Samurai und die Flöte • Teil 1 von 2 • Sage aus JapanBald hatte der Samurai sich ausgeruht, er steckte seine Flöte weg und wollte aufstehen, um weiter zu gehen. Und wie er hochblickte, stand dicht vor ihm ein schönes Mädchen. Ganz leise musste es gekommen sein, es lächelte zart und sprach: "Lieber Herr, spielt doch noch ein wenig weiter, es ist gar zu schön!" Der Mann war erschrocken, er konnte sich nicht erklären, was ein junges Mädchen so allein in dieser Wildnis zu tun hatte. "Ja, woher kommst du denn? Was machst du in dieser Einsamkeit?" "Ich wohne hier ganz in der Nähe. Ich erging mich in meinem Garten, und dabei habe ich Euer liebliches Musizieren gehört. Ich bitte Euch, spielt doch noch ein wenig für mich!" Der junge Mann betrachtete die Erscheinung jetzt genauer. Es war ein schlankes, zartes Mädchen mit feiner, weißer Haut und langen fließenden Haaren. Aber es fiel ihm auf, dass es fast rote Augen hatte. Und dann erschrak er gewaltig: Das Mädchen stand nicht auf dem Ufer, es stand auf dem Wasser! Es konnte kein Menschenkind sein! Er wich zurück und wollte so schnell wie möglich den unheimlich gewordenen Ort verlassen. Das Mädchen aber bat ihn weiter: "Spielt doch bitte noch einmal für mich, selten habe ich solch zarte Melodien gehört." Der Ritter wehrte sich und sprach: "Ich reise im Auftrag meines Herrn, und ich habe schon viel zu lange hier gerastet, nun muss ich mich beeilen. Ich kann jetzt nicht mehr für dich spielen." Das Wesen fasste ihn sanft am Ärmel und antwortete: "So geht denn, Herr, aber wollt Ihr mir versprechen, auf Eurer Rückreise wieder hier vorbeizukommen und mich noch einmal mit Eurer Flöte zu erfreuen?" Der junge Mann versprach hastig, um was er gebeten wurde, er hätte jedes Ding versprochen, nur um von hier wegkommen zu können. "So warte ich denn auf Euch, und Herr Ritter, enttäuscht mich nicht!"

Mit diesen Worten drehte sich das Mädchen um, und bald war es lautlos zwischen den Schleiern der Weidenbäume verschwunden. Der Samurai atmete auf und verließ eilig das einsame Ufer. Er schritt kräftig weiter und hatte bald die Stadt Shimizu erreicht. Er erledigte seinen Auftrag, und bereits am nächsten Morgen konnte er den Heimweg antreten. Und er wollte das Versprechen, das er dem fremden Mädchen gegeben hatte, nicht halten. Aus diesem Grund wählte er für die Heimreise einen anderen Weg, einen, der die Seenlandschaft umgehen sollte. Mit mehreren Reisenden mietete er deshalb ein Boot, um den Mogami-Fluß eine Strecke hinab zufahren, und erst dann, wenn er die unheimliche Gegend hinter sich gebracht hatte, zu Fuß weiterzugehen. Er hielt das Mädchen für einen Wassergeist, wie er in den Sümpfen und Seen haust, und der sich sicherlich nicht aus seinem eigenen Gebiet heraus bis in den Fluss wagen würde. Und er war nicht allein, er hatte ein ganzes Boot voll Reisegefährten. Der Geist würde sich nicht zeigen wollen.


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