Der Revolutionär wider Willen

Prinz Max von Baden hat als Reichskanzler das Ende des Kaiserreichs verkündet. Zum 85. Todestag gibt's im Eulengezwitscher Lothar Machtans Lehrstück politischer Biografik über Fünfwochenkanzler...

Prinz Max von Baden und Familie. Lizenz: gemeinfrei

Seit Wochen ist die friedliche Revolution vor 25 Jahren allgegenwärtig - und zwar zu Recht: Der Mauerfall (und mit ihm der Zusammenbruch der DDR) ist das Happy End des deutschen Dramas im 20. Jahrhundert. Schon einmal, siebzig Jahre vor dem 9. November 1989, ist ein deutscher Staat zusammengebrochen: Das deutsche Kaiserreich (1871-1918). Mittendrin im Geschehen und doch irgendwie nur dabei war Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaiserreiches hat die Abdankung Wilhelms II. verkündet. 

Der Revolutionär wider Willen

Lothar Machtan

Prinz Max von Baden

Der letzte Kanzler des Kaisers

Erschienen bei Suhrkamp im Oktober 2013. 670 Seiten kosten in der gebundenen Ausgabe 29,95 €.


Der Revolutionär wider Willen

Otto von Bismarck war knapp 20 Jahre deutscher Kanzler, Helmut Kohl und Konrad Adenauer regierten ebenfalls halbe Ewigkeiten (16 bzw. 14 Jahre). Über alle diese Kanzler gibt es Regalwände voller dicker Bücher. Prinz Max von Baden hat das Kanzleramt gerade mal einen guten Monat innegehabt. Dennoch kennt man ihn vor allem für diese turbulenten fünf Wochen im Herbst 1918, deren dramatischer Höhepunkt im Deutschen Reichsanzeiger gedruckt wird: „Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzicht des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind.“ Max von Baden wickelt also gewissermaßen das Kaiserreich ab.

Lothar Machtan (Foto: Jürgen Bauer) Lothar Machtan (Foto: Jürgen Bauer)

Rechtfertigt das eine über 500seitige Biografie? Ja – wenn man es wie Lothar Machtan anpackt. Er erzählt die packende Lebensgeschichte einer tragischen Figur, die zwischen öffentlichen Erwartungen und intimen Emotionen gefangen ist, in beinahe literarischer Qualität. Die gewaltige wissenschaftliche Leistung und die akribische Quellenforschung des Berufshistorikers Machtan ist im ausführlichen Anhang (fast 150 Seiten) dokumentiert. Der Lesefluss ist aber nicht durch ständige Fußnoten oder Anmerkungen gebrochen. Dadurch genügt die Biografie den akademischen Ansprüchen ohne andere Leser zu verschrecken. Überhaupt gelingt es Machtan fabelhaft, den Leser in sein eigentlich fast unzeitgemäß umfangreiches Buch zu ziehen. In flotten Formulierungen, steilen Thesen und gleichermaßen pikanten wie prägenden Details aus dem Prinzenleben (z. B. seine Homosexualität) macht er auf den zwei, drei Seiten, die man auch im Buchladen überfliegt Lust auf diese Lebensgeschichte. Vor allem aber überzeugt die (umgesetzte und durchgehaltene) Überzeugung Machtans, das Leben von Prinz Max nicht nur als Objekt des Quellenforschers zu sezieren, sondern den Mensch zu sehen, der seine Neigungen unterdrücken muss, um den Normen einer untergehenden Gesellschaft (nicht nur eines Staates!) zu genügen. Dieses Einfühlungsvermögen ist nicht allzu vielen biografisch arbeiteten Historikern zu eigen. Sicher, man kann den Standpunkt vertreten, dass schon damit die wissenschaftliche Neutralität und Distanz gefährdet sei – aber dann muss man eigentlich auch gar keine Biografien als Lebensgeschichten schreiben. 

Fazit: Lothar Machtan hat mit seinem Buch über Prinz Max ein Lehrstück zeitgemäßer politischer Biografik geschaffen: Er fängt die historische Figur und den Menschen Prinz Max von Baden ein und ordnet beide in ein Zeitalter epochaler Umwälzungen ein. Gerade angesichts des Mauerfalls vor 25 Jahren bietet die Biografie eine spannende Geschichte aus der Zeit der weniger friedlichen Revolution von 1918.

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