Der lange Schatten von Stanley Kubrick

Es ist der erste warme Frühlingsabend in Wien. Welcher Teufel muss mich geritten haben, in das Theater in der Josefstadt zu fahren, um dort auf der Probebühne „Clockwork Orange“ anzusehen? Der Abend ist eigentlich viel zu sonnig, um sich mit Gewalt, freiem Willen und psychiatrischen Experimenten der 60er Jahre zu beschäftigen. Sei es drum. Ich fahre also mit dem Lift die 2 Etagen zur Probebühne hoch und als ich den Raum betrete, erwartet mich ein Bühnenbild, das schon anzeigt, dass es heute darum geht, wie ein junger Mann auf die schiefe Bahn gerät. 3 junge Menschen in der existentialistischen Uniform, also alles in Schwarz gehalten, empfangen mich dort im Dunklen. Wie sich später zeigt ist Alex der Einzige, der einen roten Pulli trägt und nicht ganz in schwarz gewandet ist.

Stanley Kubricks Film läuft schon fleißig in meinem Kopfkino und ich bin gespannt, was ich hier von den Studierenden des Max Reinhardt Seminars dargeboten bekomme. Wie wird mit dem Gewaltexzessen von Alex umgegangen? Wie wird das Therapieexperiment, das auf Konditionierung beruht, dargestellt? Wird deutlich, dass es um den Kampf zwischen freiem Willen und dem Funktionieren in der Gesellschaft geht? All diese Fragen gehen mir durch den Kopf und dann geht die Party mit Stroboskop-Licht und einer Mischung aus Technomusik und einem Sound, der an die frühen Stücke von Kraftwerk erinnert, los. Die Stimmung ist ausgelassen und der Abend nimmt seinen Lauf, die Handlung ist mir bekannt und so kann ich mich auf andere Dinge konzentrieren wie die einzelnen schauspielerischen Leistungen und die Regieeinfälle von Felix Hafner.

Meo Wulf, du bist so ein guter Alex, wenn du spielst wie du spielen kannst und nicht so spielst wie Raphael von Bargen, der herausragend spielt, wenn er spielt, wie er eben spielt. Deine Kolleginnen und Kollegen füllen ihre anspruchsvollen Rollen hervorragend aus, Andrej Reiman als Pfarrer einfach sensationell oder Ricarda Bistram als Innenministerin und Wärterin, die an den Drill Instructor in Full Metal Jacket erinnert, ist ein Genuss. Auch Carolin Knab oder Enrique Fiß, genauso wie Markus Bernhard Börger bieten Großartiges in den vielen Rollen, die sie spielen müssen.

Die besten Momente hat dein Stück, Felix Hafner, in den Situationen, in denen ich nicht an Kubricks Film und dessen Einfluss auf deine Inszenierung denken muss. Aber Kubricks langer Schatten ist immer wieder seh- und spürbar. Jetzt warte ich mit Spannung auf den Schluss. Hast du dich für das amerikanische Ende oder für die 21 Kapitel-Version des Romanes von Anthony Burgess entschieden? Zu meiner Enttäuschung hast du die Nixon- und nicht die Kennedy Variante, wie sie der Autor beschrieb, gewählt. Dabei ist gerade dieses 21. Kapitel die optimistische Alternative, die dem Menschen eine moralische und ethische Fortentwicklung attestiert. Aber vielleicht ist es im Moment mit all den Krisen, Kriegen und Katastrophenmeldungen einfach eine pessimistische Zeit in der es mehr um die menschlichen Abgründe geht, als um Lern- und Entwicklungsfähigkeit. Eines steht allerdings fest: Die Thematik ist 2015 noch so brandaktuell wie 1962.

Das Theater in der Josefstadt verlasse ich trotz alledem optimistisch und mit der Sicherheit, dass in Österreich und dem deutschsprachigen Raum mit solchen Absolventinnen und Absolventen des Max Reinhardt Seminars einer interessanten Theaterzukunft nichts im Wege steht.


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