Einmal, es sind nun schon lange Jahre her, bin ich dem Kelch begegnet. Gewiß, gesehen hatte ich ihrer ja schon viele, aber begegnet bin ich ihm damals in Neuron, als mir der freundliche Mönch, dem die heiligen Geräte anvertraut waren, die Schätze der Sakristei zeigte. Er stand auf breitem Fuß, fest, sicher auf dem Grund. Herb stieg der Schaft auf, sehr schlank. Man fühlte die steigende, zusammengedrängte, tragende Kraft. etwas über der Mitte scharf geformt der Knauf, und endlich, auf der Höhe des Schaftes, dort, wo ein schmaler Ring die edle Stärke noch in letzte Zucht sammelte, sproßte feines, strenges Blätterwerk und darin ruhte des Kelches Herzschale, die Cuppa.
Wie habe ich damals das heilige Geheimnis gespürt!
Als stiege aus sicherem, tiefem Grunde der tragende Schaft, in zuchtvoll gesammelter Stärke, und draus blühe jene Gestalt, die nur eine ist: Aufnehmen, Hüten.
O rein, o heilig, du Geheimnis, du Gerät, in schimmerndem Grunde bergend die göttlichen Tropfen, das unaussprechliche Mysterium des fruchtbaren, süßen Blutes, das lauter Feuer, lauter Liebe ist!
Und der Gedanke ging weiter. Nein, es war kein Denken, es war ein Spüren, ein Schauen: Steht da nicht die Welt? Die Schöpfung, die zuletzt nur einen einzigen Sinn hat? Der Mensch, der Lebendige, Seele und Leib, sein schlagendes Herz … Hat nicht Augustinus das große Wort gesprochen: Darin liege meines Menschentums tiefstes Wesen, daß ich „fähig bin, Gott zu fassen?“
(Von heiligen Zeichen; Romano Guardini 1927)
