Der Feind in deiner Tasche

Wenn es dazu tatsächlich noch eines Beweises bedurft hätte, zeigen diese neuerlichen Datensammelgeschichten bei Apple (und bei Google, und über all da, wo es bisher noch nicht heraus gekommen ist, aber bestimmt genauso vorkommt) dass es keinen „guten“ Konzern geben kann. Und schon gar keinen guten Großkonzern, der Rekordgewinne einfährt. Apple ist halt längst keine Frickelbude mehr, in der begabte Freaks erstaunlich gut funktionierende Rechner zusammen schrauben. Sondern eine typische, also echt fiese, Ausgeburt der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Ja, die Apple-Produkte sind vergleichsweise schön und jeder Depp kann sie bedienen – was mich schon Anfang der Neunziger Jahre des vorherigen Jahrtausends dazu gebracht hat, mir einen Computer von Apple zuzulegen und keinen von den anderen da.

Und doch ist mein Verhältnis zu meiner kleinen Ortungswanze mit dem angebissenem Obst auf dem Rücken zumindest irritiert – gerade in den vergangenen Wochen, in denen mich die Telekom in hämischer Kumpanei mit meinem eigentlichen Telefonanbieter so schmählich hat hängen lassen und ich nur über das kleine Ding die Verbindung zum großen Weltnetz, in dem heutzutage alles stattzufinden scheint, halten kann, kommt heraus, dass mich das kleine Ding tatsächlich rund um die Uhr ausgespäht hat. Was geht Apple denn an, wo ich mich wann befinde? Wie oft ich wo einkaufe, wo und wie lange ich arbeite, wen ich besuche und was mir sonst noch einfällt? Merkwürdigerweise scheint das kleine Mistvieh diese Daten erstmal nur zu speichern – noch wurde ja kein Hinweis dafür gefunden, dass Apple diese Daten wirklich abruft und – zu was auch immer – benutzt. Aber allein die Idee, komplette Bewegungsmuster von iPhone- oder iPad-Nutzern einfach mal aufzuzeichnen, ist bezeichnend.

Ich hab ja nie kapiert, wie man sich freiwillig bei so genannten Geo-Diensten wie Google Latitude oder Foursquare oder wie die sonst noch heißen, registrieren kann, damit alle Welt sehen kann, wo man gerade ist. Aber nun zu erfahren, dass ich mich mit der Benutzung eines iPhones automatisch bei Apple-Ortung-Immer-und-Überall angemeldet habe, ist niederschmetternd. Und doch, mein Impuls das Ding vom Balkon zu werfen, ist nur gering. Ich hab auch keine Lust, einen Flashmob zu organisieren, um gemeinsam mit Tausenden enttäuschter Apple-Fans (falls es die überhaupt gibt) an prominenter Stelle Steve-Jobs-Bilder zu verbrennen. Es ist ein bisschen wie bei einer längst nicht mehr funktionierenden Beziehung – mir ist schon lange klar, dass der einst Geliebte auch nur ein Mensch ist, und zwar einer mit Fehlern und Macken, die mir schon lange auf die Nerven gehen. Aber man bleibt aus Gewohnheit beieinander – und weil es so praktisch ist.

Denn mit der kleinen Ortungswanze kann ich telefonieren und E-Mails abrufen, Musik hören, nachschauen wann die nächste Bahn kommt und so weiter. Dass mich das kleine Ding hinter meinem Rücken ausspioniert – wer weiß, vielleicht tun die neuen Android-Handys das auch, nur hat es noch keiner rausgefunden. Denn Google ist bekanntermaßen auch extrem geil auf Daten. Und Microsoft erst… Windows-Phone-7 telefoniert bestimmt auch heimlich nach Hause. Jetzt das Apple-Handy wegzuwerfen ist genauso albern wie damals, das Nokia-Handy in die Tonne zu tun. Als Nokia das Werk in Bochum dicht gemacht hat, um ins billigere Rumänien weiter zu ziehen. So funktioniert Kapitalismus. An jedem Handy klebt Blut. Schon bei der Beschaffung der Rohstoffe in Afrika geht das los, dazu kommt der Schweiß von den Billiglöhnern, die die Dinger zusammenlöten. Ob das nun in Rumänien ist oder in China.

Vermutlich dauert das mit meiner neuen Festnetzleitung auch nur so lange, weil im Hausverteiler noch der Bundestrojaner implementiert werden muss. Aber ganz auf Internet und Telefon verzichten? Man kann ja an Osama bin Laden sehen, wohin das führt. Für telekommunikative Enthaltsamkeit gilt in einigen Fällen die Todesstrafe.



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