Der Deutsche Bundestag – ein Bollwerk gegen den Laizismus?

WEIMAR. (fgw) Die Zeitschrift MIZ1 – Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen – wid­met sich in ihrer aktu­el­len Ausgabe 3/11 dem Schwerpunktthema „Ein Reaktionär auf Reisen – Proteste gegen den Papstbesuch”. Dennoch stel­len Beiträge zu den viel­fäl­ti­gen Protesten nicht den Schwerpunkt des Heftes dar.

Der Deutsche Bundestag – ein Bollwerk gegen den Laizismus?Vielmehr wer­den gesell­schaft­li­che Zusammenhänge beleuch­tet: Warum der Ratzinger-Papst von der bun­des­deut­schen Politik ein­ge­la­den wurde, wel­ches anti­quierte und demo­kra­tie­feind­li­che Weltbild sich in den Papstreden offen­barte. Chistoph Lammers bringt es in sei­nem Editorial mit drei Fragen auf den Punkt: “Erstens, was pas­sierte hin­ter der Fassade des insze­nier­ten Auftritts? Zweitens, wer pro­fi­tiert von dem Auftritt? Was bleibt vom Auftritt?” Und er stellt etwas spä­ter noch eine vierte Frage: “Sind die Gerichte wirk­lich unab­hän­gig?” Lammers zieht die­ses Fazit: “…zeigt der Besuch, wie schlecht es um unsere Demokratie bestellt ist. Das poli­ti­sche Establishment – von links nach rechts – arbei­tet dem Papst nach wie vor zu und erweist einem Antidemokraten die Ehre.” Das stimmt zwar im kon­kre­ten Fall, doch mit Blick auf die bun­des­deut­sche Wirklichkeit möchte der Rezensent dies aber nicht nur auf den Papst bezo­gen wis­sen, son­dern auf die Kirchenfürsten bei­der Amtskirchen.

Der Schwerpunktartikel “Ein Reaktionär auf Deutschlandreise” von Gunnar Schedel hat den Untertitel “Papst Benedikt XVI. will zurück in die beschis­sene alte Zeit”. Mit die­sem doch sehr dras­ti­schen Satz ist jedoch eigent­lich alles gesagt. Die lt. Politikerkaste klu­gen etc. Papstreden wer­den von Schedel wie folgt ein­ge­schätzt: “…der Papst bediente in sei­nen Ansprachen mit einem Mix aus Klartext, Andeutungen und intel­lek­tu­ell klin­gen­dem Theologenjargon diverse Erwartungshaltungen. Wer sich durch die päpst­li­che Rhetorik nicht täu­schen ließ, erkannte hin­ge­gen, wie berech­tigt die Proteste waren”.

Schedel geht auch auf die Verwirrungen über die Papstrede in Freiburg ein und schreibt: “Polemisch zuge­spitzt könnte das Fazit (…) lau­ten: (…) spie­gelt sich in der Aufforderung an die Kirche ‘sich von ihrer Verweltlichung zu lösen und wie­der offen auf Gott hin zu wer­den’ nichts ande­res als eine vor­mo­derne, tota­li­täre Gesellschaftsauffassung. Das demo­kra­ti­sche Prinzip, um Mehrheiten zu wer­ben und ansons­ten den Leitsatz der Aufklärung zu berück­sich­ti­gen, andere nach ihrer eige­nen Fasson glück­lich wer­den zu las­sen, zäh­len für Joseph Ratzinger nichts.”

Ja, mit der Entweltlichung ist eben nicht die Trennung von Staat und Kirche gemeint oder Verzicht auf Privilegien, wie einige Leichtgläubige mei­nen, son­dern dir Rückkehr ins Mittelalter, als sich die Kirche über den Staat stellte.

Spannender und fak­ten­rei­cher noch als der oben reflek­tierte Artikel liest sich Roland Eberts Beitrag “Bollwerk gegen den Laizismus – Kirchlich beein­flußte Strukturen im Bundestag”. Ein Fragezeichen hat hier nichts zu suchen, denn wie Ebert nach­weist, sind bis auf Petra Pau von der LINKEN alle Präsidiumsmitglieder des Deutschen Bundestag zumin­dest amts­kirch­li­che Lobbyisten, wenn sie nicht gleich direkt hohe und höchste Laienämter in katho­li­schen und evangelisch-lutherischen Gremien aus­üben. Und selbst Petra Pau, die sich selbst als kon­fes­si­ons­los nennt und in der DDR als Pionierleiterin arbei­tete bekennt: “Ich habe mei­nen eige­nen, den ich gar nicht prä­zise beschrei­ben kann. Ich weiß nur, daß es mir damit gut geht.”

Ebert kon­sta­tiert: “Man kann nach der obi­gen Analyse wei­ter­ge­hen und das Präsidium des Bundestages in der jet­zi­gen Zusammensetzung mehr­heit­lich als Bollwerk gegen den Laizismus anse­hen. Es gibt Bestrebungen, die Landtage in die­ses System ein­zu­be­zie­hen. Und wie weh­ren sich die Laizisten?”

Hinzuzufügen wäre: Und wie weh­ren sich die mehr als 30 Prozent kon­fes­si­ons­freien und und die rund nicht­christ­li­chen Gläubigen gegen die nach wie vor beste­hende Verquickung von Staat und Amtskirchen?

Zum Schwerpunktthema gehö­ren auch kurze Beiträge zu den Konkordatslehrstühlen in Bayern (Theodor Ebert) und zur PID (Gerhard Rampp) oder zu den Wahlprüfsteinen des IBKA bei den jüngs­ten Berliner Abgeordnetenauswahlen.

Nachdenklich stimmt der Artikel von Christoph Lammers “2083 + 1518 = 0″ zu den christlich-fundamentalistischen Hintergründen des Utöya-Attentäters Anders Behring Breivik”.

Höchst emp­feh­lens­wert nicht nur zur Lektüre, son­dern ins­be­son­dere für quel­len­be­legte Argumentationen in der bun­des­deut­schen Wertedebatte ist Rolf Bergmeiers Beitrag “Europas christ­li­che Werte und die ‘uan­tast­bare Menschenwürde’ des Einzelnen”. Nicht uner­wähnt blei­ben sol­len Wolfgang Hubers Anmerkungen zur Vergangenheitsbewältigung der öster­rei­chi­schen Kirchen und Sevinc Tomalis Artikel zur isla­mi­schen Fethullah Gülen-Bewegung.

Auch diese Ausgabe der MIZ wird abge­run­det durch eine umfang­rei­che inter­na­tio­nale Umschau.

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

  1. MIZ – das bedeutet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann beim Alibri-Verlag Aschaffenburg bezogen werden.

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