Dein letzter Weg.


Ich habe dich vor 14 Jahren kennengelernt. Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung: ich war mit deinem Enkelsohn in eurem Garten. Es war ein warmer Frühlingstag und ich verbesserte Hefte, während er in seinen Akten las und arbeitete. Da hörte ich leises Reden und blickte hoch zum Balkon. Da sah ich dich zum ersten Mal, mit deinem Mann. Ihr ward wohl etwas verwundert über mich, wir haben uns freundlich gegrüßt und dann habt ihr euch wieder dezent zurück gezogen. Bald sahen wir uns wieder. Ich war schnell Teil eurer Familie geworden. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe mich nie als Außenstehende fühlen müssen. Ich war immer Teil. Als ich euren Enkel geheiratet habe, war dein Wunsch groß. "Bitte zieht hier her." Ich erinnere mich noch genau, ich weiß noch, wo wir gestanden sind und dass du dich dabei an mich gedrückt hast. Es hat noch ein wenig gebraucht, du hast nicht nachgegeben. Genau gewusst, an wen du deinen Wunsch richten musst :) . 2004 sind wir eingezogen. 3 Generationen, fast 4, in einem Haus. Es war ein Experiment, manchmal eine Herausforderung, ein Versuch, ein Probieren jeden Tag auf`s Neue. Selbstverständlich für die "Alten". Manchmal schwer für die "Jungen", dennoch immer Familie. Du hast mich begleitet, durch schwierige Zeiten, die auf uns alle zukamen, warst mir immer die Oma, die ich vermisste, seit ich Kind war - meine Omi`s waren beide viel zu früh gestorben. Es war nicht immer alles rosa, aber ist es das? Im "normalen Leben"? Wir hatten oft unterschiedliche Meinungen - schmunzelnd muss ich dran denken, dass du ernsthaft gefragt hast, warum "das arme Kind nichts gescheites" zu essen bekommt, weil ich gestillt habe, statt die von dir empfohlene Fläschchennahrung zu geben. :) Generationen sind da aufeinander getroffen. Unterschiedliche Erfahrungen, Lebensmuster, Lebenspläne. Du hast mich hierher gebracht. An einen Ort, an dem ich mich vom ersten Moment an zuhause gefühlt habe. An einen Ort, an dem ich bis ins hohe Alter leben will. Selbst, als ich zwei Jahre nach unserem Einzug von eurem Enkel geschieden wurde, blieb nicht er, sondern ich. Wurde immer noch als Teil der Familie gesehen. Das habe ich immer so bewundert. Eben WEIL Generationen aufeinander trafen. Ich hab immer zu dir, zu euch gehört. Immer. Bedingungslos. Nicht nur als Mama eurer Urenkerl. Bedingungslos. Und wenn ich daran denke, wie sehr du dich gefreut hast, als ich meinen "Lieblingsmann" dann kennenlernte und ihn euch vorstellte, wird mir immer noch warm ums Herz. Vollkommen selbstverständlich habt ihr ihn aufgenommen. Als weiteren Teil zu euerer Familie gemacht. Überhaupt er und du - ihr hattet so eine starke Verbindung. Selbst als du schwächer wurdest, hast du IHM immer ein Lächeln geschenkt. Im letzten Jahr hab ich es oft schwer ausgehalten zu sehen, wie du dich verändert hast. Ich hab große Angst vorm Sterben. Mit dem Tod kann ich nicht gut umgehen. Einen toten Menschen möcht ich nicht sehen, kann mir nicht vorstellen, einem Toten nah zu sein. Eine persönliche Geschichte. Ich musste zum ersten Mal lernen, dass das Alter, die Krankheit, uns möglicherweise zur Gänze verändert. Nicht nur körperlich. Nicht nur mental. Der Wandel. Oft ausgesprochen, jetzt zum ersten Mal erlebt. Du warst müde in den letzten Wochen. Hattest immer so eine Angst vorm Sterben. Das hat`s schwer für uns gemacht. Du hast dich so ans Leben geklammert, so darum gekämpft. Ob ich geglaubt hätte, wenn mir jemand bei unserer ersten Begegnung gesagt hätte, dass ich dich einmal begleiten werde, wenn du gehst? Deine letzten Atemzüge mit dir atmen würde? Deine Tochter und ich waren bei dir. Es passierte so, wie du es immer wolltest: Zu Hause. In deinem Haus. Bei deinem Garten. In der Nähe vom Opa, mit dem du im April 68 - ... achtundsechzig! ... Jahre verheiratet gewesen wärst. Und am Ende ist es passiert, wie du es dir gewünscht hast. Und am Ende ist ganz selbstverständlich gewesen, dass auch ich bei dir war.
Ich hatte immer eine Vorstellung davon, wie es sein muss, wenn jemand stirbt. Uhren bleiben stehen, Kerzen flackern auf oder erlöschen. Man hat da so seine Ideen im Kopf. Doch es war anders. Die Uhr hat weitergetickt. Die Kerze war ganz ruhig, die Flamme stark und hell. Kein Windhauch, kein Luftzug. Nur Ruhe. Plötzlich Stille, als du den letzten Atemzug (d)eines langen, erfüllten Lebens getan hast. Und ich bin dankbar, dass deine Tochter und ich dabei waren. So, wie DU es dir gewünscht hast, Oma.  
Mach`s gut.Gute Reise.Und letztendlich Frieden.
Ich habe überlegt, ob ich meine letzten Worte und Gedanken an die Uroma meiner Jungs hier niederschreiben soll. Wer Seelensachen kennt weiß, dass ich immer ein Verfechter der "Echtheit" war. Hier gibts das echte Leben (selbst, wenn ich auf Fotos manchmal das Chaos für einen Moment beiseite schiebe). Ich kann so einen wichtigen Teil meines Lebensweges nicht ausblenden und tun, als wenn das private neben dem "öffentlichen hier" nicht existieren würde. Das kann ich nicht. Das bin ich nicht. Mir ist klar, dass ich einen Nerv treffe bei dem ein- oder anderen. Beim Nächsten vielleicht ein Augenrollen "weil das muss ja hier nun wirklich nicht sein". Was auch immer kommt, nehmt es an. Es hat aber nichts mit mir zu tun. Und es ist ok. 
Einen Gedanken möchte ich noch mit euch teilen. Ich habe vor 10 Jahren die Ausbildung zur "Doula" - Geburtsbegleitung gemacht und danach ein paar Mal Hausgeburten begleitet. Das Sterben eines Menschen in den letzten Stunden zu begleiten hat mich stark an das GEBOREN werden erinnert. Und es waren drei Frauen im Zimmer, als unsere Oma starb. So wie bei den Geburten (das wird mir jetzt bewusst). Und ich hatte die selbe Rolle: keine Verantwortung, wie die Hebamme, ich durfte einfach nur DA s e i n . (Unter)Stützen, ruhig bleiben, Dinge sehen, die den anderen Beteiligten möglicherweise im Moment nicht auffallen konnten. In den letzten Sekunden Kraft geben, oder vielleicht auch einfach zum Loslassen Mut machen. Es scheint, als wäre ein großes Lebensthema von mir genau das. Liebe C. , es scheint, als wäre ich zur "BEGLEITERIN" geboren.
Maria V.  6. Jänner 1923 - 23. Februar 2015

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