Das rechte Holzauge bleibt blind...

Während der Verfassungsschutz offenbar noch immer keine Gelegenheit auslässt, um Akten zu vernichten, die möglicherweise Auskunft über weitere Ermittlungs”pannen” oder gar darüber geben könnten, wie tief die Verstrickungen zwischen rechten Informanten und nicht ganz so neutralen Staatsschützern tatsächlich reichen, bleibt das Holzauge auf der linken Seite weiterhin wachsam.

So ist derzeit ein vom Hamburger Asta (der sich selbst als “wachstumskritisch bis antikapitalistisch” ansieht) herausgegebener Studenten-Kalender Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung: Ein in Hamburg einschlägig bekannter Rechtsanwalt namens Walter Scheuerl hat gegen mehrere Asta-Mitglieder Strafanzeige gestellt. Er stört sich unter anderem an dem Kalenderblatt vom 18. Oktober, auf dem es heißt: “Mit seinem Tod schafft Hanns Martin Schleyer die Voraussetzung für die nach ihm benannte Mehrzweckhalle in Stuttgart.”

Dicker Fisch ohne feine Sahne

Dicker Fisch ohne feine Sahne

Der ehemalige Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer wurde während des Deutschen Herbstes von der RAF entführt und nach mehreren Wochen Gefangenschaft am 18. Oktober 1977 ermordet. Vor seiner Karriere in der deutschen Nachkriegswirtschaft hatte Schleyer schon unter den Nationalsozialisten Karriere gemacht und war vom Hitlerjungen zum Reichstudentenführer aufgestiegen. In der SS brachte er es allerdings nur zum Untersturmführer. Insofern ist das Schleyer-Kalenderblatt weder geistreich, noch gute Satire noch sonst irgendwie originell – aber eine unerträgliche Verunglimpfung eines unschuldigen Mordopfers, die nach strafrechtlicher Verfolgung schreit, sehe ich hier auch nicht.

Im Gegenteil sehe ich in dem Versuch, eine solche zu konstruieren, einmal mehr die hierzulande übliche Verklärung eines abgefeimten Karrieristen, der jedes politische System zu seinem Vorteil zu nutzen verstand, zu einem unschuldigen Opfer der zu Überfeinden stilisierten Linksterroristen. Die ich übrigens auch für völlig durchgeknallt halte – mit der Entführung und Ermordung von Menschen kann man kein korruptes Schweinessystem besser machen. Das haben die überlebenden RAF-Mitglieder später wohl auch erkannt und 1998 die Auflösung der RAF bekannt gegeben.

Gerüchte über eine angebliche Neugründung durch eine vierte Generation der RAF konnten meines Wissens nie bestätigt werden. Dieses Hirngespinst scheint für viele Verfassungsschützer aber realer zu sein als der tatsächlich vorhandene Terror von rechts. Allerdings vergreifen sich die militanten Neonazis auch “nur” an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund anstatt an arischen Wirtschaftsbossen.

Dazu fällt mir ein, vor ein paar Wochen einen Bericht über die Punkband Feine Sahne Fischfilet gelesen zu haben – die gefährlichste Band Mecklenburg-Vorpommerns. Nein, das sind nicht die bösen Glatzen, die den deutschen Osten bevölkern – im Gegenteil, das sind die Guten!

Die Jungs von Feine Sahne Fischfilet engagieren sich mit ihrer Musik gegen Rechtsextremismus. Trotzdem oder eher genau deswegen bekommen sie im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern mehr Platz eingeräumt als die inzwischen offiziell als rechtsextreme Terrororganisation anerkannte NSU. Das mag damit zusammenhängen, dass die aktiven Antifaschisten nicht im Untergrund leben, sondern offen und gelegentlich auch offensiv für ihre Überzeugung einstehen. Deshalb ist es natürlich viel leichter, etwas über die lauten Linken herauszufinden, als über die angeblich unauffälligen Rechten. Über die der Landesverfassungsschutz als professionelle Schnüffelorganisation erstaunlicherweise kaum etwas herausgefunden hat: “Insgesamt ist es ein Witz, was über die Nazis in dem Bericht steht”, wird der Sänger der Band zitiert: “Da weiß selbst ich mehr.”

Immerhin eins ist sicher: Diese Akte wird nicht im Schredder landen.


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