Das gute (Hör-)Buch: „Muttergefühle Gesamtausgabe“ von Rike Drust

Mit mehr als 40 Millionen verkauften Exemplaren (konservativ geschätzt) zählt „Muttergefühle Gesamtausgabe“ von Rike Drust zu den erfolgreichsten Elternbüchern der letzten Jahre wenn nicht gar seit Erfindung des Buchdrucks. Wer bisher zu träge, zu phlegmatisch oder schlichtweg zu faul war, es zu lesen, kann es nun hören. Am 23. September ist das Werk als Hörbuch im Lagato-Verlag erschienen.

Immer wenn ich @muttergefuehle habe, höre ich das Buch von Rike Drust. Dann geht es wieder.

Ein von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) gepostetes Foto am 4. Okt 2016 um 6:06 Uhr

Disclosure

Das Hörbuch hat mir der Verlag kostenlos als Rezensionsexemplar zugeschickt. Wie die Leserinnen und Leser des ‚Familienbetriebs‘ wissen, ist mein Urteil aber unbestechlich und meine Meinung nicht käuflich. Zumindest nicht für 15,90 Euro, die das Hörbuch im Handel kostet. Bedauerlicherweise wurde mir weder vom Verlag noch von der Autorin eine hochwertige moderne Stereoanlage zum Abspielen des Hörbuchs zur Verfügung gestellt. Ich habe mich bemüht, meine Irritation diesbezüglich nicht in die Rezension einfließen zu lassen.

Die Autorin

Rike Drust, geboren 1975, ist eine international preisgekrönte Texterin und ihr Status in der Elternbloggerlandschaft lässt sich recht treffend als volltätowierter Jesper Juul mit Brüsten beschreiben. Durch ihren Bestseller „Muttergefühle Gesamtausgabe“ wird sie auch ohne erziehungswissenschaftliches Studium mindestens ebenso oft um Rat zu Problemen im familiären Alltag gefragt wie der dänische Familientherapeut. (Dabei macht sie allerdings eine wesentlich bessere Figur. Das aber nur am Rande.) Dabei hat die gebürtige Bremerin eigentlich gar keine ratgeberischen Ambitionen, wie sie selbst schreibt:

„Ich kann schließlich schlecht einer Mutter erklären, wie sie mit sich und ihrem Kind glücklich wird, wo ich doch selbst ständig an dieser Aufgabe scheitere. Lieber berichte ich davon, wie ich mich beim Scheitern fühle. Und bei allem anderen auch.“

Aber bei der Erwartungshaltung ihrer zahlreichen Leserinnen und Fans bleibt Rike Drust wohl gar nichts anderes übrig, als ihre Rolle als Familien-Ratgeberin anzunehmen. (Peter Parker hat ja auch ein wenig gebraucht, bis er mit seiner Verantwortung als arachnider Superheld zurechtkam.)

Die Hardware

Das Hörbuch besteht aus vier CDs mit einer Gesamtdauer von 4 Stunden und 26 Minuten. Das heißt, es ist ungefähr so lange wie der morgendliche Gang zur Kita mit einem Kleinkind, wenn im Herbst die Kastanienzeit angebrochen ist.

Eingelesen hat das Buch die Diplom-Schauspielerin Floriane Kleinpaß. Ihr Vortrag besticht durch den Verzicht auf unnötige Dramatisierung und einer geradezu nüchternen Distanz. Fast wie eine weibliche Version von Egon Hoegen, der vier Jahrzehnte im „7. Sinn“ die Deutschen zu mehr Achtsamkeit im Straßenverkehr ermahnte.

Das Cover des CD-Booklets ist an die Print-Ausgabe des Buches angelehnt und beschreibt mit verschiedenen einprägsamen Symbolen die Ambivalenz mütterlicher Gefühle, die von Rike Drust in ihrem Buch so eloquent beschrieben werden. Beispielsweise ein Totenkopf oder ein Blitz für anstrengende durchwachte Nächte oder nicht enden wollende Schreiattacken des Neugeborenen. Oder ein Herz stellvertretend für die unbeschreibliche Liebe und Zuneigung, die Eltern für den Nachwuchs empfinden (etwas weniger stark ausgeprägt in den durchwachten Nächten und während der nicht enden wollenden Schreiattacken). Dazu gibt es eine in die Luft gereckt Faust, die ich als Mut machendes merkelhaftes „Wir schaffen das!“ interpretieren möchte.

Das insgesamt sehr ansprechende Cover bekommt allerdings leichte Abzüge auf der nach unten offenen Rosa-Hellblau-Falle-Skala für den Einsatz des pinken Farbtons bei Schrift und Symbolen, mit der die Marketingabteilung des Verlags augenscheinlich die weibliche Zielgruppe zum Kauf manipuliert will.

Der Inhalt

„Muttergefühle Gesamtausgabe“ ist wahrscheinlich eines der ehrlichsten Bücher über Schwangerschaft, Kinderkriegen und das Leben mit Kind, da es sowohl die schönen als auch die weniger schönen Momente und Emotionen behandelt. Rike Drust schreibt offen und ehrlich über die Herausforderungen, sich in der neuen Rolle als Mutter zurechtzufinden, über die manchmal unerträgliche Monotonie im Alltag mit einem Kleinkind, die eine chinesische Wasserfolter als abwechslungsreiche und erstrebenswerte Freizeitaktivität erscheinen lässt, oder über nervige Ratschläge von distanzgeminderten Verwandten, Bekannten und Wildfremden. Es geht auch um Ängste, die sie sich um das Wohlergehen ihres Kindes macht (wobei Rike Drust eine geradezu morbide Phantasie entwickelt, was dem Jungen alles zustoßen könnte) sowie um Sorgen um die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes, die sich hoffentlich nicht außerhalb der Gaußchen Normalverteilung bewegt. Und Themen wie Partnerschaft, die durch ein Kind mitunter auf eine harte Probe gestellt wird, sowie Gleichberechtigung, die mit der Ankunft eines Kindes in weite Ferne zu rücken scheint. werden ebenfalls behandelt.

Rike Drust beschreibt diese emotionale Achterbahn im besten Sinne subjektiv, selbstreflektierend und selbstkritisch, ohne moralisierenden oder gar missionierenden erhobenen Zeigefinger. Dies würde auch nicht ihrem – sehr sympathischen – Anspruch genügen, „Frauen Mut zu machen, zu allen Aspekten des Mutterseins zu stehen und sich gegen Belehrungen oder Anfeindungen zu verwahren.“

Der Mehrwert

Kritische Zeitgenossen werfen möglicherweise ein, dass ein Muttergefühle-Hörbuch vollkommen unnötig sei, da sich die Printausgabe bereits millionenfach verkauft hat und statistisch gesehen in jedem deutschen Haushalt stehen müsste. In bestimmten Situationen ist so ein Printbuch aber höchst problematisch. Beispielsweise wenn eine werdende Mutter mit Tempo 200 über die Autobahn fährt und, da sie außer dem Durchtreten des Gaspedals nichts zu tun hat, sich über das bevorstehende Leben mit einem Kind anhand des Drustschen Werkes informieren möchte. Da will man sich nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn sie bei Michael Schumacheresken Überholmanövern in der Printausgabe blättert und sich womöglich noch Notizen macht. Von daher spricht es für die soziale Verantwortung von Rike Drust, dass sie sich für die Veröffentlichung ihres modernen Klassikers als Hörbuch eingesetzt hat und damit einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit auf deutschen Autobahnen leistet. (Egon Hoegen gefällt das.)

Es stellt sich außerdem die Frage, inwiefern sich das Buch ob des Titels Muttergefühle und der farblichen Covergestaltung auch an Väter richtet und sich die Lektüre für diese überhaupt lohnt. Selbstverständlich! Zum einen sollten moderne Männer in ihrer sexuellen Identität so gefestigt sein, dass sie ein Hörbuch mit pinkfarbener Schrift anhören können, ohne zu befürchten, ihnen fällt gleich der Penis ab. Zum anderen bietet das Buch dem männlichen Leser beziehungsweise Hörer die einzigartige Möglichkeit, sich tiefgründige Einblicke in die mütterliche Psyche zu verschaffen. Da lernt man mehr als in der neuesten Men’s Health-Ratgeber-Strecke „Was Frauen denken“. Und um ein Vielfaches amüsanter als das jahrelange Studium der „Bild der Frau“ zur Ergründung der weiblichen Gedankenwelt ist es allemal.

Schließlich ist das Buch so gut und witzig geschrieben, dass es ein Lese-Highlight für alle Menschen ist, egal ob sie über zwei X- oder über ein X- und ein verkümmertes Y-Chromosom verfügen. Frei nach dem Motto: Humor kennt keine Chromosomen! (Schöner Spruch eigentlich. Könnte ich auf eine Postkarte drucken lassen und Mario Barth schicken.)

Die Herausforderung

Für mich als eher lesendem denn autitivem Lerntyp stellte das Hörbuch allerdings eine besondere Herausforderung dar. Ich benötige das niedergeschriebene Wort, damit eine Information mein Hirn erreichen und dort verarbeitet werden kann. Unabhängig vom Inhalt und davon wie gut er dargeboten wird, schaltet mein Gehirn bei längeren mündlich vorgetragenen Passagen ab und die Worte dringen nicht mehr zu mir durch. (Dies ist übrigens äußerst problematisch bei längeren Unterhaltungen mit der Ehefrau, hat aber durchaus seine Vorteile, wenn die Kinder einen auf einer mehrstündigen Autofahrt nötigen, Conni-CDs in Dauerschleife zu hören.) Trotz dieses Defizits meinerseits haben mir die Abschnitte, die ich aus „Muttergefühle Gesamtausgabe“ bewusst gehört habe, außerordentlich gut gefallen.

Das Fazit

Für das Hörbuch „Muttergefühle Gesamtausgabe“ kann ich eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen. Nur weil ich beim Hörbuchhören die Aufmerksamkeitsspanne eines hyperaktiven Eichhörnchens auf Speed habe, muss das ja nicht auch für Sie gelten.

Der Preis von 15,90 Euro ist für einen solchen Klassiker mehr als gerechtfertigt. Insbesondere bei der Hördauer von fast viereinhalb Stunden. Dadurch liegt der Minutenpreis bei läppischen sechs Cent. Und was bekommt man heutzutage schon für sechs Cent? Genau: nichts! Somit ist das Hörbuch ein absolutes Schnäppchen. Quasi kostenlos!

Schließlich macht sich die CD ganz hervorragend in jedem Regal und erspart Ihnen hochgezogene Augenbrauen von Gästen, denen Sie beschämt gestehen müssen, das Meisterwerk von Rike Drust nicht zu besitzen. Sofern Sie nicht als ignoranter Angehöriger des Bildungsprekariats gelten möchten, der feingeistige Literatur nicht zu schätzen weiß, sollten Sie sich das Hörbuch umgehend zulegen.

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Rike Drust: Muttergefühle Gesamtausgabe. Gelesen von Floriane Kleinpaß. Lagato Verlag 2016. 4 CDs für 15,90 €. ISBN 978-3-942748-80-3.

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Gewinnspiel

Ich verlose mein Rezensionsexemplar des Hörbuchs, d.h. es ist nicht mehr original verpackt, wurde aber pfleglich von mir behandelt. Jeder Kommentar unter diesem Artikel erhält ein Los (Voraussetzung ist lediglich eine gültige Email-Adresse). Käsekuchenspenden an mich bringen keinen Vorteil ein, sichern aber lebenslange Dankbarkeit meinerseits. Die Verlosung endet am Montag, 10. Oktober um 18 Uhr. Der Rechtsweg ist genauso wie der Linksweg ausgeschlossen, ausgelost wird mit random.org. Eine Auszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Viel Glück allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.


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