Dankbarkeit - Gedanken nach dem Besuch bei einer Flüchtlingsfamilie

Meine Bloggerkollegin Lucie Marshall engagiert sich mit für Flüchtlinge.
Unter anderem unterstützt sie in Berlin einen jungen Syrer, dessen Frau und drei Kinder sich seit einiger Zeit in Istanbul aufhalten und von dort auf den Familiennachzug nach Deutschland warten.

Als ich kurz nach Weihnachten auf Lucies Blog vom Schicksal der Familie erfuhr, bot ich spontan meine Hilfe an. Und so stellte sie den Kontakt zwischen mir und R. her, einer mutigen Frau aus Aleppo, die ich zutiefst bewundere.
In meinem heutigen Post soll es aber nicht um meine Hilfe oder Selbstbeweihräucherung gehen, sondern um etwas ganz anderes: Meine Dankbarkeit dafür, diese Familie kennengelernt zu haben.

Seit einiger Zeit bin ich täglich mit R. in Kontakt, die niemals bittet, sondern schüchtern annimmt. Letzte Woche kam es dann endlich zu unserem ersten persönlichen Treffen, auf das wir uns beide sehr gefreut hatten. Ich besuchte sie und ihre drei Kinder gemeinsam mit zwei Freundinnen in ihrer Wohnung in Istanbul. Der Besuch bei dieser warmherzigen, liebenswerten Familie hat mich tief bewegt und ich fühle in den Tagen danach vor allem eines: Dankbarkeit.
R. zeigt uns Fotos von ihrem wunderschönen Haus in Aleppo, das sie so sehr liebte und das unserem Standard in nichts nachstand. Ich betrachte sie, wie sie mir entschuldigend lächelnd ein Glas mit heißem Kaffee anbietet und verschämt eine alte Tischdecke über den Rostflecken des Klapptisches ausbreitet, um ihren Besuch zu bewirten. Ich lächle zurück. Tassen und ein neues Tischtuch findet sie in unseren Spenden.
Ich kann ihre Gefühle förmlich spüren während sie uns auf dem Handy Fotos aus dem Leben zeigt, das sie zurücklassen mussten. Sie strahlt wenn sie die Bilder ihrer vereinten Familie zeigt. Menschen, die sich zu einem feierlichen Anlass vor traumhafter Kulisse herausgeputzt haben und glücklich in die Kamera strahlen. Bilder von Kindern, die in liebevoll eingerichteten Kinderzimmern zwischen bunten Spielzeug-Boxen spielen und in Verkleidungen posieren. Dieselben Kinder, die gerade in einem kargen Nebenraum mit unseren kleinen Mitbringseln spielen und uns bereits bei der Begrüßung herzlich um den Hals fielen.
Ich sehe ihr Lächeln, wenn sie sich erinnert. Ein Lächeln, dem Wehmut mitschwingt. Wenn sie über ihren Mann spricht, den sie so sehr vermisst, schlägt sie die Augen nieder. Bittere Sehnsucht schwingt mit. Die Kinder vermissen den Vater. Sie hoffen so sehr, noch vor Sommer ihren Antrag auf Familiennachzug stellen zu dürfen.
Was ich fühle, ist kein Mitleid. Ich spüre Mitgefühl. Ich kann annähernd nachempfinden, was ihre Situation bedeutet und allein die Vorstellung daran bereitet mir fast körperliche Schmerzen.
Ich bin dankbar, dass ich ihren Schmerz nie selbst erfahren musste und würde ihr so gerne ein Stück Last von ihren Schultern nehmen. So viele Parallelen in unseren Leben. Und so viele Unterschiede.
Ich bin dankbar dafür, dass ich noch nie erfahren musste, was es bedeutet, die eigenen Kinder herzzerreißend leiden zu sehen. Dafür, dass unser Leben noch niemals in Gefahr war. Dass wir weder Hunger, noch Kälte leiden mussten.
Dafür, dass wir zwar ebenso ein altes Leben in Deutschland zurückgelassen haben und uns ein neues in Istanbul aufbauen mussten, dies aber unsere freie Entscheidung war. Dafür, dass wir unser neues Leben unter angenehmen Rahmenbedingungen beginnen durften.
Ich bin dankbar dafür, dass ich das Privileg besitze, etwas geben zu können und nicht den Mut aufbringen muss, Fremde um Hilfe zu bitten. Denn das ist so viel schwerer.
Wie anmaßend ist es doch, als Deutscher/Europäer eine emotionale Distanz zu "denen" aufzubauen. Wie naiv zu glauben, unsere Leben mit all ihren Privilegien könnten nie den geopolitischen Entscheidungen von Regierungen oder (Terror)Organisationen zum Opfer fallen.
Haben wir wirklich so wenig aus unserer Vergangenheit gelernt? Können wir wirklich so blind sein, obwohl wir Zugang haben zu aktuellen Informationen und Bildern aus aller Welt?


Ich bin in diesen Tagen nicht nur R. und ihren 3 großartigen Kindern dankbar, die mir einen Einblick gewährt haben in eine Wirklichkeit, die mir vorher irgendwie unwirklich und absurd schien.
Ich bin auch einigen wunderbaren Frauen dankbar, die ich zu meinen Freundinnen zählen darf.
Diese Frauen haben keine Sekunde gezögert als ich vor einiger Zeit zögerlich fragte, ob sie denn ein paar Haushaltsgegenstände über hätten. Ich hatte gehofft, beim Frühjahrsputz würden sie vielleicht den ein oder anderen Gegenstand ausmisten, für den die Familie Verwendung hätte.
Das Engagement, das mir entgegenschlug, war überwältigend.

Alle stellten nicht nur ihren Haushalt auf den Kopf und gaben mehr, als in mein Auto passte. Sie nahmen auch Mühe auf sich, boten Hilfe an und legten letzten Endes ihr Geld für eine Waschmaschine und einen Kühlschrank zusammen.
Ich bin dankbar dafür, diese tollen Frauen zu kennen. Frauen aus aller Welt, von denen ich so viel gelernt habe. Unterschiedliche Kulturen, Lebensgeschichten und Sichtweisen, die mir neue Perspektiven eröffnen und immer wieder eines vor Augen führen:
Egal, wo wir herkommen, welche Sprachen wir sprechen, welche Traditionen und Rituale wir pflegen, zu welchem Gott wir beten und welche politischen und sozialen Einstellungen wir vertreten... wir haben alle mehr gemeinsam, als uns voneinander unterscheidet!

Ich danke den Umständen, die uns ein Leben in Sicherheit und Wohlstand ermöglichen.
Ich danke meinen Kindern und meinem Mann, meiner Familie und meinen Freunden.

Ich danke allen Menschen, die mein Leben auf so unterschiedliche Weise bereichern und mir neue Sichtweisen ermöglichen.
Und der wunderbaren syrischen Familie, die seit letzter Woche dazugehört.


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