Coming Out Day

Lesbische und schwule Jugendliche sind während ihres Coming-out meist auf sich allein gestellt. Die Umwelt über ihre sexuelle Orientierung aufzuklären, kann ihnen niemand abnehmen. Häufig fühlen sie sich während dieses Prozesses unsicher, einsam oder auch ausgegrenzt. Der Aktionstag Coming Out Day, der jedes Jahr am 11. Oktober begangen wird, soll jungen Menschen während dieser Phase ihres Lebens den Rücken stärken.

Coming Out Day

Coming-out (engl. „coming out of the closet“, wörtlich: „aus dem Kleiderschrank herauskommen“) bezeichnet zumeist den Prozess, sich seiner Homosexualität bewusst zu werden und diese dem sozialen Umwelt mitzuteilen.

In der heutigen Zeit meint man, dass dies kein großes Thema mehr ist und dass der gleichgeschlechtlichen Liebe tolerant und offen gegenüber getreten wird. Die Realität sieht aber leider anders aus. Mobbing und Gewalt in der Schule oder auch im Elternhaus kommen immer noch vor. Statistiken belegen, dass die Suizidrate unter lesbischen und schwulen Jugendlichen vier- bis siebenmal höher ist als unter heterosexuellen, sie leiden öfter an Depressionen, Essstörungen und selbstverletzendem Verhalten. Manche müssen monatelangen Hausarrest und somit den Abbruch ihrer sozialen Kontakte erleiden. Und auch heute noch werden homosexuelle Jugendliche aufgrund ihres Outings von zuhause rausgeworfen.

Die gute Nachricht: In immer mehr Städten wird eben solchen Jugendlichen Hilfe in Form von Beratungsstellen oder Jugendgruppen angeboten. Auch hat man sich ein Beispiel an den USA genommen und den von den Amerikanern initiierten Aktionstag, den Coming Out Day, übernommen.

Geschichte des Coming Out Day

Wie bereits erwähnt, liegen die Ursprünge des Coming Out Day in den USA. Dort nahmen am 11. Oktober 1987 eine halbe Million Menschen an einer schwul-lesbischen Parade, dem Second National March on Washington for Lesbian and Gay Rights, teil. Bei einem Aktivisten-Treffen vier Monate später musste man erkennen, dass die Reaktionen auf Homosexuelle immer noch negativ behaftet sind und kam so auf die Idee, einen nationalen Aktionstag zu gründen. Urheber waren Rob Eichberg, ein Begründer von The Experience, einem Programm um das Selbstwertgefühl zu steigern, und Jean O’Leary, welche seit 1981 Direktorin der National Gay Rights Advocates (NGRA) war. Als jährlicher Termin wurde der Tag des March on Washington festgelegt. Im Jahre 1993 fusionierte der National Coming Out Day mit  der damaligen Human Rights Campaign Fund (HRCF, später: Human Rights Campaign (HRC)). Man erhoffte sich durch den Zusammenschluss mehr Schubkraft für das Projekt. Der Plan ging auf.

Etablierung in Deutschland

Im Laufe der Zeit sprangen auch viele andere Länder mit auf den Zug auf. Die Wichtigkeit, das Thema Coming-out in die Öffentlichkeit zu transportieren, war allen gleichermaßen präsent. In Deutschland veranstalten viele kleinere und größere Initiativen eigene Projekte. Der Verein Coming Out Day e.V. möchte auf die Situation von schwulen und lesbischen Jugendlichen aufmerksam machen und den Aktionstag in Deutschland etablieren. Der Vereinsname bezieht sich sowohl auf den Tag selbst als auch auf den Tag des persönlichen Coming-out, der vielen Betroffenen meist positiv, manchmal aber auch negativ in Erinnerung bleibt.

Interview mit Sven Norenkemper vom Coming Out Day e.V.

An dieser Stelle freuen wir uns sehr, dass wir den Vorstandsvorsitzende des Vereins Coming Out Day e.V. Sven Norenkemper für ein kleines Interview gewinnen konnten. Wir sprachen mit ihm über die Hintergründe des Projekts, den Umgang mit Homosexualität in der Gesellschaft und auch darüber, was man als Einzelner tun kann, um homosexuelle Menschen bei ihrem Coming-out zu unterstützen:

Hallo Herr Norenkemper, vielen Dank, dass Sie sich trotz Urlaub Zeit für unsere Fragen nehmen. Diese Tatsache lässt vermuten, dass Ihnen das Thema “Coming-out” und auch die Verbreitung des Aktionstages sehr am Herzen liegen. Aus welcher Motivation heraus unterstützen sie den Verein Coming Out Day e.V. als Vorstandsvorsitzender?

Ich habe als Pädagoge viele Jahre lesbische und schwule Jugendliche im Jugendzentrum “anyway” in Köln begleitet. Ich finde es katastrophal, dass viele Jugendliche eine extrem harte Zeit durchmachen müssen, bloß weil sie erkennen, dass sie als Junge einen Jungen oder als Mädchen ein Mädchen toll finden.

Wie begehen Sie den heutigen Coming Out Day?

Es stehen ein paar Radio-Interviews an. Eines unserer Hauptziele, den Coming Out Day in Deutschland zu etablieren, trägt seit einigen Jahren Früchte. Die Medien nehmen sich dieses Tages und damit auch des Themas zunehmend an. ARD Eins-Festival macht zum Beispiel einen ganzen Thementag.
Einige lesbisch/schwule Institutionen machen Aktionen und Infostände vor Ort.

Wann wurde der Verein ins Leben gerufen? Und wer sind die Initiatoren?

Dies ist erst der sechste Coming Out Tag der in Deutschland begangen wird. In anderen Ländern, insbesondere den USA gibt es diesen schon wesentlich länger. Einige engagierte Menschen, schwul, lesbisch und auch hetero, haben sich 2006 in Köln zusammen getan, um diesen bundesweit tätigen Verein zu gründen.

Man könnte meinen, dass die heutige Gesellschaft offener und toleranter gegenüber Homosexualität eingestellt ist. Schwule Politiker, lesbische Talkmasterinnen, bisexuelle Schauspielerinnen oder Sängerinnen – Gerade Menschen mit einem gewissen Bekanntheitsgrad machen keinen Hehl aus Ihrer Orientierung und die Welt scheint ganz normal damit umzugehen. Liest man allerdings auf Ihrer Webseite Fakten und Erfahrungsberichte, wird man eines besseren belehrt.

Wenn man die jüngste Debatte um schwule Profifußballer beobachtet sieht man, dass es noch ein weiter Weg bis zur flächendeckenden Akzeptanz von Lesben und Schwulen ist. Gerade Jugendliche im Coming-out sehen sich in ihrer Familie und auf ihrem Schulhof um und zählen immer nur eine Person, der/die “so” ist: sich selbst. Das macht einsam…

Welche Vorurteile gegenüber Homosexuellen begegnen Ihnen immer wieder?

Alle Vorurteile, die man auch schon vor 20, 30 und 100 Jahren gehört hat. Da hat sich nichts verändert. Was sich verändert hat, ist die Häufigkeit und der Fakt, dass so etwas in der Regel nicht mehr öffentlich gesagt wird. Dafür ist “Schwule Sau” das Schimpfwort Nummer eins an deutschen Schulen und das Akronym für alles was schlecht ist. Vom “schwulen Füller” bis zu den “schwulen Hausaufgaben”.

Was glauben Sie, warum viele Menschen immer noch so negativ auf das Thema Homosexualität reagieren?

Lesben und Schwule sind eine Minderheit und Minderheiten werden immer gerne als Opfer identifiziert. Jahrhunderte alte Vorurteile, wie unsinnig diese auch sein mögen, sterben langsam.

Einen Gegensatz zu den Jugendlichen, die ganz zaghaft und verängstigt mit dem Thema Coming-out umgehen, bilden die, die sich damit in der Öffentlichkeit geradezu brüsten. Beispiele gibt es viele: Der Britney Spears/Madonna-Kuss bei den MTV Music Awards oder auch Lindsey Lohan und ihre Ex-DJ-Freundin. Inwieweit halten Sie Homosexualität auch für eine Modeerscheinung, eine Art Accessoire, das man trägt, möchte man besonders “cool” und aufgeschlossen daherkommen?

Künstler wie in Ihrem Beispiel nutzen das Thema um zu schocken, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ob sich Madonna in ihrem Konzert ans Kreuz hängen lässt oder einen Kuss mit Britney teilt, hat den gleichen Effekt: Es wird darüber gesprochen. Wäre solch ein Kuss Normalität, würde auch niemand drüber sprechen oder bliebe so nachhaltig in Erinnerung.

Was kann ich als Einzelner tun, um den Coming Out Day zu unterstützen?

Werden Sie Patin oder Pate! Wir unterstützen mit Ihren Spenden lesbische und schwule Jugendprojekte in ganz Deutschland. Diese fangen rausgeworfene Jugendliche auf, helfen in Krisen und schaffen Räume für diese Teenager, wo sie andere Jugendliche kennenlernen, die so sind wie sie. Erst dann merken sie, wieviele Menschen lesbisch oder schwul sind: etwa 10% der Bevölkerung.

Was wünschen Sie homosexuellen Jugendlichen für ihr Coming Out? Haben Sie Tipps, wie man es „besonders geschickt“ anstellt?

In einer Stadt oder deren Nähe aufwachsen! Dann gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein lesbisch/schwules Jugendzentrum in ihrer Nähe oder eine entsprechende Jugendgruppe und sie können ihre Jugend ebenso erleben wie ihre heterosexuellen Altersgenossen.

Nun haben wir uns überwiegend mit Negativresonanzen auf das Coming-out beschäftigt. Es gibt aber doch bestimmt auch positive…? Fällt Ihnen dazu eine besonders einprägsame Erfahrung ein? Vielleicht Berichte von Jugendlichen, deren Umwelt mit dem Outing viel besser umgegangen sind, als erwartet?

Positiv ist immer wieder zu beobachten wie ängstlich und schüchtern Jugendliche ein lesbisch/schwules Jugendzentrum zum ersten Mal betreten und innerhalb weniger Wochen genug Selbstvertrauen und Kraft sammeln, sich auch bei Familie und Freunden zu outen.

(…) und zum Schluss in der guten Tradition der berühmt-berüchtigten letzten Worte. Hier ist Ihre Chance:

Fragen Sie doch das nächstes Mal ihr Patenkind, ihren Neffen oder ihren Enkel nicht, ob er schon eine Freundin hätte sondern, ganz selbstverständlich, eine Freundin oder einen Freund. Das zeigt auch Kindern schon, wie normal das Thema eigentlich ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weiterführende Infos und nützliche Links zum Coming Out Day:


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