Bürokratie bremst grenzüberschreitende Notfall- Rettung

Bürokratie bremst grenzüberschreitende Notfall- Rettung
Für bayerische und tschechische Rettungswagen und Notärzte ist noch immer an der Grenze Schluss. Eine Initiative in Ostbayern will das jetzt ändern. Foto: ce-press
Regensburg (ce-press - internet-zeitung) – „Im Mittelpunkt muss die schnellstmögliche Rettung des Patienten stehen, egal auf welcher Seite der Grenze er sich befindet“, sagt Dr. Birgit Seelbinder, die Präsidentin des bayerischen Teils der Euregio Egrensis, in der die nordostbayerische Grenzregion mit ihren Nachbarn in Böhmen, Sachsen und Thüringen zusammenarbeitet. Deshalb kämpft sie seit vielen Jahren dafür, dass grenzüberschreitende Rettungseinsätze zwischen Bayern und Tschechien möglich werden. „Aber wir stehen nach wie vor ganz am Anfang, weil zahlreiche Fragen ungeklärt sind“, sagt Seelbinder, die auch Oberbürgermeisterin von Marktredwitz ist. Ein neues, von der Euregio Egrensis in Auftrag gegebenes Gutachten des Instituts für empirische Wirtschafts- und Sozialforschung belegt jetzt: Schuld daran, dass die grenzüberschreitende Notfallrettung zwischen Bayern und Tschechien nicht vorankommt, ist die ungeklärte Rechtslage, durch die den Verantwortlichen vor Ort die Hände gebunden sind. Nur ein Staatsvertrag zwischen Deutschland und Tschechien könnte das Problem lösen. Doch wann dieser abgeschlossen wird, steht in den Sternen. Die ostbayerische Grenzregion fordert deshalb jetzt einen Runden Tisch oder ein Modellprojekt, um bei der schnellen Rettung endlich neue Wege gehen zu können.
Zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich an der Rechtslage nichts geändert: eine gesetzliche Grundlage für den grenzüberschreitenden Rettungseinsatz gibt es nicht. Konkret heißt das: Selbst wenn die Retter aus dem Nachbarland schneller vor Ort sein könnten, dürften sie nicht handeln. Zu viele Fragen sind ungeklärt: Welche Sonderrechte dürften Rettungswagen im angrenzenden Land in Anspruch nehmen? Ist Blaulicht erlaubt? Dürfen Medikamente, vor allem Betäubungsmittel in das Nachbarland transportiert und dort verabreicht werden? Welchen gesetzlichen Anforderungen unterliegen Medizinprodukte? Wesentlich auch die Frage: Wer zahlt den Einsatz?
Die Kostenfrage bekommt zusätzliche Brisanz durch die unterschiedlichen Abrechnungssummen. So schlägt ein Einsatz des Notarztwagens (einschließlich Notarzt) in Deutschland mit 668 Euro zu Buche, in Tschechien dagegen nur mit 57,50 Euro. Weiter gedacht hieße das: Wenn eine tschechische Rettungsleitstelle einen deutschen Notarztwagen anfordert, müsste der mehr als zehnmal so hohen deutsche Preis bezahlt werden. Ebenso unklar sind die Abrechnungsfragen mit den Krankenkassen und den tschechischen Sozialversicherungsträgern. Auch die Ausbildung zum Notarzt und die Definition des Berufs sind in beiden Ländern unterschiedlich geregelt. Ebenfalls kaum vergleichbar ist die Ausbildung zum deutschen Rettungsassistenten und Rettungssanitäter mit der zum „Medizinischen Retter“ und „Rettungsdienstfahrer“ auf tschechischer Seite.
Die vielen ungeklärten Fragen haben alle Bemühungen zu grenzüberschreitenden Rettungseinsätzen bisher im Keim erstickt. „Nach übereinstimmender Auskunft der Beteiligten gibt es so gut wie keine grenzüberschreitenden Einsätze tschechischer Rettungskräfte im bayerisch-tschechischen Gebiet der Euregio Egrensis“, schreiben die Autoren des Gutachtens. Weder würden Aushilfseinsätze für deutsche Versicherungsnehmer in Deutschland gefahren, noch werden tschechische Versicherungsnehmer auf deutschem Hoheitsgebiet erstversorgt – auch nicht in unmittelbarer Grenznähe. Umgekehrt zählt die Statistik zwar 179 Rettungseinsätze Oberpfälzer Krankenwagen in Tschechien auf. Versorgt wurden dabei aber deutsche Kur-Urlauber in Marienbad und Franzensbad, bei denen die tschechischen Kliniken die bayerischen Rettungswachen in Bayern informierten. Die Autoren warnen allerdings davor, darin Einsätze „mit Vorbildcharakter“ zu sehen. Rechtlich gesehen sei die Abrechnung „mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig“.
„Die Politik darf sich nicht wegducken“, sagt Professor Dr. Hanjo Allinger, einer der Autoren des Gutachtens zur grenzüberschreitenden Notfallrettung. Nur ein Staatsvertrag könne Rechtsverbindlichkeit schaffen. In anderen deutschen Grenzregionen, zum Beispiel zwischen Deutschland und Frankreich oder zwischen der Bundesrepublik und Dänemark gibt es solche Rahmenabkommen, die die „grenzenlose Rettung“ möglich machen. So wurden im ersten Jahr nach dem Vertragsschluss zwischen dem Saarland und der französischen Nachbarregion Lothringen bereits 76 grenzüberschreitende Einsätze gezählt.
Wann ein solches Abkommen zwischen Deutschland und Tschechien abgeschlossen wird, weiß niemand. Zwar verhandeln die Gesundheitsministerien beider Länder seit mehreren Jahren miteinander und ein erster Entwurf liegt seit zwei Jahren zur Stellungnahme in Prag. Dort sollen Regelungen über den Grenzübertritt, die Nutzung von Sonderrechten, die Ausstattung der Rettungsfahrzeuge sowie die Qualifikationsanforderungen des Rettungspersonals, die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungssysteme sowie Haftungsfragen geregelt werden. Auf eine Anfrage der Gutachter teilte das Bundesgesundheitsministerium allerdings mit, die Verhandlungen seien „ins Stocken geraten“ und ein Abschluss 2011 sei nicht gesichert. Das Bayerische Rettungsdienstgesetz erlaubt grenzüberschreitende Einsätze zwar in Einzelfällen. Auf die Frage, wann ein solcher Einzelfall vorliegt, erhielten die Autoren der Studie aus dem Bayerischen Innenministerium jedoch über Monate keine Antwort.
Die bayerische Euregio-Präsidentin Dr. Birgit Seelbinder ist überzeugt: Wenn die rechtlichen Unsicherheiten beseitigt sind, könnten die übrigen Herausforderungen vor Ort bewältigt werden. Dazu zählt vor allem das Überwinden der Sprachbarriere zwischen den Verantwortlichen in den Leitstellen, aber auch bei den Patienten vor Ort. Um die unterschiedlichen Kostenstrukturen zu überwinden, ist nach Ansicht der Gutachter ein Naturaltausch eines Fahrtenkontingents vorstellbar, so dass der Einsatz bayerischer Rettungskräfte in Tschechien nicht zu höheren Kosten für die dortigen Versicherungsträger führt. „Wir setzen uns jetzt intensiv für einen Runden Tisch ein, der alle Verantwortlichen zusammenführt“, sagt Dr. Seelbinder. Sie hofft, möglichst bald für ein Modellprojekt für die grenzüberschreitende bayerisch-böhmische Notfallrettung schaffen zu können.


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