Bulletproof Coffee – Irrglaube an ein Wundermittel

Bulletproof CoffeeDas Rezept für Bulletproof Coffee: Man nehme eine gute Tasse Kaffee, einen großen Löffel beste Weidebutter und etwas MCT-Öl, schütte alles zusammen in einen Mixer und heraus kommt ein vollkommen neuartiger Ernährungs-Hype. Tausende berichten von schier übermenschlicher Kraft am Morgen. Bulletproof Coffee hat eine smart lancierte Marketing-Kampagne im Nacken, macht keinen Hehl daraus und ködert massenweise Menschen, die eigentlich einen feuchten Dreck auf Ernährungs-Trends geben. Dann berichtet sogar das Vice-Magazin darüber. Dieser eigenwilligen Dynamik will ich auf den Grund gehen. Woher kommen all diese Bulletproof Coffee-Jünger und was treibt sie an? Ein Ernährungswissenschaftler öffnet mir schließlich die Augen.

Was verspricht Bulletproof Coffee?

Bulletproof Coffee verspricht Dinge, die man aus Drogengeschichten gehört hat – nur ohne die negativen Aspekte. Ein unzerstörbarer Fokus auf eine Sache, einen klaren und hellwachen Geist. Kaffee hoch fünf nur ohne Zittern und in bekömlicher, gar gesundheitsfördernder Form. Damit erklärt sich für mich ein großer Teil des Hypes. Bulletproof Coffee spricht all diejenigen an, die sich jeden Tag aufs neue wünschen, sich von ein paar Amphetaminchen wachküssen zu lassen – doch sie trauen sich nicht, zurecht. Und plötzlich liegen sie halt doch da, in einer Tasse, braun, flüssig, mehr oder weniger lecker und sozial total toleriert. Vor allem: Angepriesen und geteilt von tausenden Bulletproof Coffee-Jüngern. On top verspricht dieser Wunderdrink eine Minderung des Hungergefühls. Keine Nebenwirkungen, kein versteckter Haken und testen kann man es ja mal. So erobert Bulletproof Coffee letztlich die Hirne aller, die sich morgens aus dem Bett quälen und sich sehnlichst einen spritzigeren Tagesstart herbeiwünschen.

Wer steckt dahinter?

Dave Asprey, US-Amerikaner, macht keinen Hehl daraus, dass Bulletproof Coffee auf seinem Mist gewachsen ist und dass er seine Erfindung nun gewinnbringend ausschlachtet. Der erste Google-Treffer ist seine Website, auf der er Bulletproof Coffee-Sets vetreibt und die Legende vom Bulletproof Coffee erzählt. Zugegebenermaßen: Die Geschichte hat Potential. Beim Bergsteigen im Himalaya stolperte er bei widrigen Bedingungen in ein kleines tibetisches Gasthaus, wo man ihm Yak-Butter-Tee servierte. Das pushte ihn derart extrem, dass er beschloss, das biomolekulare Geheimnis dieses Getränks zu entschlüsseln. Das Ergebnis jahrerlanger Forschungen sei nun der Bulletproof Coffee – so die Behauptung von Dave Asprey. Mehrere Jahre Forschung für ein Getränk mit drei Zutaten? Vielleicht sollte man spätestens hier skeptisch werden. Ich blieb gutgläubig.

Funktioniert es tatsächlich?

Ich habe den Test gemacht und ich wünschte mir, dass es funktioniert. Mit einem legalen Aufputschmittel und unendlicher Power in den Morgen zu starten klang für mich schon irgendwie erstrebenswert. Ich fühlte ganz bewusst ich mich hinein. Ich nahm ihn zu mir an einem Morgen, der schlechter nicht hätte beginnen können: Mit Müdigkeit, Regen, Antriebslosigkeit. Eine halbe Stunde später saß ich an meinem Laptop, hämmerte zwei Artikel in mein Blog, telefonierte lästige Telefonate weg und fühlte mich prächtig. Ist das tatsächlich möglich? Obwohl ich glaube, es am eigenen Leib erfahren zu haben, traue ich diesem Tässchen Butter-Kaffee nicht. Kann es sein, dass er ein vollkommen neues Fittness-Level erklimmbar macht? Ich beschließe, mir wissenschaftlichen Rat einzuholen.

Was sagt der Ernährungsexperte?

Zunächst klappere ich diverse Universitäten ab, doch keiner hat von diesem Trend gehört, außerdem haben alle viel zu tun oder Ferien. Dann erreiche ich Sven-David Müller, Ernährungswissenschaftler und Medizinjournalist. Ich berichte ihm von meinen Recherchen und ernte zunächst nur Entsetzen. 80 Gramm Fett zum Frühstück? Ekelhaft, ungesund, wie kann man nur? Seine Reaktion ist verständlich, doch ich will eine wissenschaftliche Eindordnung. Was er mir dann erklärt ist erhellend.

Zunächst bestätigt Müller, dass die einzelnen Komponenten des Bulletproof Coffee die von Asprey angekündigte Wirkung tatsächlich entfalten. Ja, Kaffee putscht auf, besonders ein starker Kaffee oder ein doppelter Espresso, wie beim Bulletproof Coffee empfohlen. Ja, Butter und Fette enthalten extrem viele Kalorien und machen entsprechend satt und spenden Energie. Ja, MCT-Öl wird nicht als Fett eingelagert, sondern sofort verbrannt. Und: Ja, Fette sorgen dafür, dass der Kaffee länger im Magen bleibt und das Koffein nicht ganz so schnell ins Blut flutet. Doch Müller ist weder überrascht noch überzeugt vom Bulletproof Coffee-Trend. Ich frage ihn warum so viele Menschen darauf schwören und eine unglaubliche Leistungssteigerung spüren.

Müllers Erklärung ist einleuchtend: Für ihn spielt das bisherige Frühstücksverhalten der Bulletproof Coffee-Jünger die entscheidende Rolle. Nur wenige Menschen frühstücken bewusst und ausgewogen, noch weniger Menschen nehmen morgens große Energiemengen auf, obwohl genau das besonders beim Frühstück Sinn macht. Daher starten die wenigsten mit viel Energie im Körper in den Tag. Die Gründe: Zeitmangel, schlechte Angewohnheiten oder einfach keine Lust auf ein großes Frühstück. Doch der Körper braucht gerade morgens viel Kraft.

Wenn diese Menschen nun von einen auf den anderen Tag schon morgens die empfohlene Energiemenge zu sich nehmen – weil es schnell geht und keine große Masse verspeist werden muss – dann ist es nicht verwunderlich, dass sie sich zum ersten mal in ihrem Leben wirklich fit fühlen. Sie haben dann keinen außergewöhnlich extremen Fokus und sind auch nicht übermenschlich wach, sondern sie haben einfach zum ersten mal den “Normalzustand” erreicht. Für jeden einzelnen von ihnen muss sich das jedoch äußerst übermenschlich anfühlen und genau auf dieses Gefühl springt wiederum der Erfinder Dave Asprey auf. Er verkauft Bulletproof Coffee als Wunderwaffe und all jene, die das Hochgefühl eines energiereichen Morgens zum ersten mal erleben, bestätigen das und schreiben euphorietrunken ausführliche Erfahrungsberichte in allerlei Internetforen.

Ein cleverer Schachzug: Frühstücksmuffel und Workoholics mit einer winzigen Fett-Energiebombe in neue Sphären katapultieren und dann von Gratis-Werbung aus tausenden Foren und Blogs profitieren. Dass 95% aller Bulletproof Coffee-Jünger jedoch keine Hochleistungssportler und auch keine Rockstars sind, die täglich 5000 Kalorien verbrennen, das geht in diesem Hype leider unter. Täglich Bulletproof Coffee ohne bewusste und durchdachte Ernährungsumstellung ist weder gesund noch schlankmachend. Ein ausgiebiges Frühstück mit fettem Joghurt, Müsli und Brötchen macht genauso fit und satt – so die These von Sven-David Müller. Dazu ein kräftiger Kaffee und der Bulletproof Coffee kann einpacken.

Warum habe ich einen starken Effekt gespürt?

Ich gehöre tatsächlich zur Gruppe der Menschen, die morgens keine Lust auf ein großes Frühstück haben. Schnell eine Brezel reingeschoben und das wars dann. Außerdem trinke ich äußerst selten Kaffee. Somit gehöre ich zur klassischen Köder-Gruppe für Bulletproof Coffee. Angefixt von dutzendenden Erfahrungsberichten, die ich während meiner Recherche gelesen habe entfaltet sich unweigerlich auch ein kleines Placebo. Ich achtete ganz bewusst auf jedes Signal meines Körpers und wünschte mir, dass der Bulletproof Coffee-Wirkung zeigt. “Die Kraft der Gedanken spielt eine ganz entscheidente Rolle bei diesem Trend,” bestätigt auch der Ernährungswissenschaftler. Ich konnte am eigenen Leib nachvollziehen warum so viele diesen Butterkaffee feiern. Vermutlich ist jedoch den wenigsten bewusst, dass es nicht der Bulletproof Coffee ist der diese unglaubliche Leistungssteigerung verursacht. Es ist das Energieloch aus dem sie klettern – verursacht durch ihre bisherigen Essgewohnheiten.


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