Buhen, bis der Typ von der Bühne wackelt

Für eine Demokratisierung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Buhen, bis der Typ von der Bühne wackeltTom W. Wolf schrieb via Facebook, dass er eine "Online-Petition namens "Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr" [für] nachvollziehbar" halte. Gleichzeitig sei sie aber "auch völlig albern". Wolf liegt richtig und gleichzeitig auch nicht. Recht hat er, weil Petitionen sich immer wieder als Löffel in der Schwertscheide erweisen. Unrecht hat er, weil der Zuschauer ansonsten keinerlei Möglichkeiten hat, die Ablösung einer untragbar gewordenen Person, die ihre Rechnungen von öffentlichen Geldern bezahlt, einzufordern. Diese Petition ist die schlichte Hilflosigkeit eines Publikums, das nicht einwirken kann auf ein Programm, dass es bezahlen muss.


Früher hätte man sein TV-Gerät ja theoretisch abmelden können. Heute geht das nicht mehr, weil nicht mehr jeder Besitzer eines Fernsehapparates Gebühren bezahlt, sondern jeder Haushalt. Ob er ein Gerät besitzt, ist heute gar nicht mehr wichtig. Wie gesagt, theoretisch gab es bis vor einem Jahr also noch die Option, sich dem ganzen Zirkus zu entziehen. Dann hätte man diesen Gernegroß namens Lanz nicht mehr finanziert. Heute muss man ihn finanzieren, ob man will oder nicht.
Wenn aber alle in der ersten Reihe sitzen müssen, dann müssen auch alle die Möglichkeit haben, aktiver bei der Gestaltung und bei Entscheidungen rund um das öffentlich-rechtliche Fernsehen einzugreifen. Wer zahlt, soll zwar nicht unbedingt anschaffen - das wäre vermessen und auch nicht objektiv. Aber wenigstens daran teilhaben sollte man dürfen. Diese Wohnungspauschale benötigt dringend eine weitere Reform, die den TV-Zuschauern die Möglichkeit einräumt, ihren Unmut nicht einfach nur als Leserbrief kundzutun, sondern ihn auch als Anstoß interner Debatten anzubringen.


Es wäre nur demokratisch, wenn man Personal, das von öffentlichen Geldern bezahlt wird, auch unter Kontrolle der Öffentlichkeit stellt. Mancher wird nun sagen, dass das ja passiert. Man muss unliebsames Programm ja nicht einschalten, kann dafür sorgen, dass die Quoten mies sind, dann löst sich das Problem von alleine. Tom W. Wolf empfiehlt das dann auch. "Sind die Quoten im Keller, geht der Moderator in die Wüste", glaubt er. Wieder liegt er richtig und auch nicht. Natürlich ginge das Format Lanz ins Nirwana - aber dieser Lanz ohne Format wäre dann immer noch ein von der Öffentlichkeit finanzierter Angestellter.


Die Quote ist ein denkbar ungeeignetes Mittel. Genug Leute schalten ja Sendungen auch ein, weil sie sie nicht mögen. Vielleicht dreht der Lanz ja wieder am Rad. Das will man sehen, man will ja darüber sprechen und schreiben können. Wenn man solche Gestalten nicht mehr einschaltet, weiß man ja faktisch gar nicht, ob man mit seinem "Protest mit der Fernbedienung" richtig liegt. Und wieviel gute Formate, die ein Weiterleben verdient hätten, sind durch die Quote gemeuchelt worden! Außerdem schrieb ich ziemlich genau vor einem Jahr, dass es Quoten nicht geben sollte in einem System der Rundfunkgebühr. Die wäre weitaus mehr als die Gewährleistung von Werbepausenfreiheit. Sie könnte und sollte vom Schielen auf Quoten befreien. Jetzt die Quote zur Lösung des Problems zu küren, heißt ja auch, das System der Quotenmessung weiter zu stützen.


Es müssen schon tiefgreifendere Möglichkeiten geschaffen werden, um dieses System, das jeden in die Pflicht nimmt, auch für jeden gestaltbar zu machen. Wenigstens im kleinen Rahmen. Ob da ein Zuschauerrat sinnvoll ist oder ein extra lediglich für den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingerichteter Petitionsbetrieb, müsste man durchdenken. Man könnte diesem Zuschauerrat auch wöchentlich zehn Minuten Sendezeit zu einer humanen Zeit erteilen, sodass er ganz transparent über seine Arbeit berichten und für ihn unpassende Entwicklungen den Programmverantwortlichen öffentlich an den Kopf werfen kann. Sinnvoll wäre sicher auch das Anschreiben von Gebührenzahlern nach Zufallsprinzip, um zu ermitteln, was die Leute beschäftigt, was sie stört und was sie gar für untragbar halten.


Insofern ist diese Petition ein nutzloser Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht sollte man es weniger personalisieren und nicht auf den konkreten Fall des Markus Lanz reduzieren, sondern fordern, dass das bezahlende Publikum einen Anspruch darauf hat, das Geschehen auf der Bühne zu beeinflussen. Im Theater kann man buhen und den grottenschlechten Akteur zur Verzweiflung bringen - bis er aufgibt und vor der tosenden Menge flüchtet. Die Leute haben ja auch Eintritt bezahlt. Wenn da so ein Laie eine aufgeblasene Diva gibt, dann haben sie jedes Recht dazu, sauer und laut zu werden. Das gehört irgendwie auch dazu, dass man dort mit dem Geschehen mitgeht, sich nicht auf seinen Sitzplatz isolieren lässt.


Wer in der ersten Reihe sitzt, so wie es die öffentlich-rechtlichen Sender gerne ausdrücken, der muss auch Tomaten Richtung Stümper werfen dürfen. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag braucht einen Passus, der dem Publikum das Buhen ermöglicht.


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