Buddhaland-Bullshit: Ikkyu und die Moral

Ein User im "Buddhaland" trat eine Diskussion über "Amoralismus im Zen" los und warf dazu gleich mal als Stichwort Ikkyu ein. An der Deutung dieser Figur - und der möglichen Motive des Users - lässt sich gut aufzeigen, wie beschränkt die Denke mancher Zennies ist. Zunächst versucht es ein Anhänger von ausgedehntem Zazen mit dem Hinweis, dass auch Ikkyu viel Zazen machte und sich als moralisch zeigte, weil er sich über die amoralische Raffgier des Klerus erboste. Ikkyus Treiben versteht dieser User insgesamt als "Provokation". Wenn es provokativ war, zu den Huren zu gehen, dann war es offenbar auch provokativ, sich gegen den habsüchtigen Klerus zu stellen. Jedoch übersieht der User, dass beide Gruppen, Geistliche wie Prostituierte, vom schönen Schein leben und damit ihre finanziellen Vorteile erwirtschaften. Ein moralischer Ikkyu hätte demnach auch die Huren gleichermaßen kritisiert. Hat er aber nicht. Zwischen den Zeilen will dieser User offenbar zumindest unterstellen, es sei wesentlich für ein moralisches Aufbegehren gegen Besitzstreben, viel Zazen zu machen. Dagegen ist mir klar geworden, dass es unter den Zazennies etwa ebenso viele Raffgierige gibt wie unter denen, die kein Zazen machen, und auch ebenso viele, die der Hurerei frönen.    Umgekehrt wäre also ein tragbarer Schuh daraus geworden: Zazen hat nichts mit Moral zu tun, jedenfalls nichts mit einer simplen Schwarzweißmalerei, die sich gegen Auswüchse des Kapitalismus und für Provokation entscheidet. Zazen führt also, wie man an Ikkyu sieht, auch nicht dazu, dass man sich überhaupt nur Gedanken darüber machen muss, ob etwas Provokation ist, oder ob es zu rechtfertigen sei. Gelebtes Zen, wie es der User sogar selbst fordert, tut einfach. Wenn es sich so ergibt, dann verliebt sich Ikkyu eben in eine Blinde (was von der Warte der geistig Blinden eher unpraktisch wirken dürfte) oder fickt Freudenmädchen (was von der Warte der geistig Blinden etwas Besonderes und in der Regel Makelhaftes ist, da sie ja ihre eigenen Bemühungen um die Moral von irgendetwas abgrenzen müssen). Was diese Zennies also nicht begreifen - und auch der Ursprungsposter nicht - ist, dass im Sinne des Zen das Treiben Ikkyus gar nicht unmoralisch war. Weil es nicht unmoralisch war, gibt es auch bis heute eine Linie, in die Ikkyu eingereiht ist, und einen Tempel, der in dieser Tradition steht. Denn Ikkyu bekam seine Bestätigung (inka) nicht aufgrund seiner Anzahl von Zazenstunden, sondern aufgrund der geistigen Freiheit, die er erlangt hatte und die ihm das Leben ermöglicht haben dürfte, das er führte. Und es wurde ihm nichts streitig gemacht, obgleich er dieses Leben führte, weil es in keinem Widerspruch zu irgendeiner fiktiven Zenmoral stand.   Eine Userin greift die Fehlsicht ihrer Vorredner auf. Zwar erkennt sie richtig, dass die Ort- und Zeitumstände von Ikkyus Dasein zu bedenken seien, um sein Handeln einzuordnen. Dann jedoch legt sie genau die "konditionierten Moralvorstellungen aus dem christlichen" an, auf die sie selbst hinwies, um ihrerseits von "Problemen mit der Begierde" und "Rechtfertigungen" von "Unangenehmen" zu schreiben. Dies ist genau die Sicht, die von der Ikkyus unterschieden werden sollte. Statt zu erkennen, dass alles Mögliche getan werden kann, wenn es in Freiheit und der Fähigkeit zum Loslassen getan wird, strebt der typische Zennie nach "Grenzen setzen" und meint, ein Poet wie Ikkyu, der Liebeshymnen dichtete, habe seinen Hunger nach dieser Liebe "gehasst". Das kommt davon, wenn man in Sachen Sexualleben in Schubladen denkt und Ikkyu in seiner umfassenden Persönlichkeit nicht mehr wahrnehmen kann. Oder wenn man von sich auf andere schließt.
Was mich als einem in der Tradition Ikkyus darauf bringt, an ganz konkreten Beispielen klar zu machen, wo hier der Unterschied von den Theoretikern zu den Praktikern liegt. Vor einer Woche hatte ich über eine Dating-App eine junge Frau kontaktiert, die einer anderen, mit der ich bereits verkehrt hatte, irgendwie ähnlich sah. Ich dachte zunächst, sie sei unter verschiedenen Profilen online, und noch während ich das zu klären suchte (übers Tippen auf dem Smartphone), stand sie plötzlich vor meiner Tür. Wie ich sie so sah, etwas übergewichtig und nicht gerade mein Typ, und aufgrund der etwas seltsamen Kommunikation zuvor, wollte ich ihr einfach das Taxigeld bezahlen und entschuldigte mich. Da spürte ich, dass sie Kummer hatte, und sprach sie darauf an. Sie entschuldigte sich, nicht geschminkt zu sein und etwas getrunken zu haben, sie wolle mein (Taxi-)Geld nicht, sie verstünde mich schon, sie sei einfach schlecht drauf, habe Zoff mit ihrem Freund gehabt (einem Mann, der älter ist als ich). Ich zog sie sanft ins Zimmer. Wir hatten dann stundenlang das, was ich als den intensivsten Sex seit Jahren bezeichnen kann, vor allem, was ihre Empfindungsfähigkeit und Teilnahme anging. Sie war nass, bebte, stöhnte, zitterte. Sie blieb viel länger als vereinbart. Wir küssten uns endlos Zunge. Wir verstanden intuitiv, was dem anderen gefiel. Ich denke nun wieder daran, wie nah man sich in kürzester Zeit über Sex kommen und wie vertraut man werden kann, und wie mir manche Paare davon erzählten, dass sie für so etwas Jahre gebraucht hatten. Ich erfuhr von ihrer Migräne, konnte ihr meine Erfahrungen mitteilen und einige Medikamente nennen, die sie noch nicht kannte. Sie zeigte mir die Dating-App, wie sie für Frauen aussieht: keinerlei zahlungspflichtige Kontakte (wie zum Teil für Männer), ein Ansturm von fast hundert Typen, die Kontakt zu ihr suchten (was erklärt, warum man als Mann von so vielen Frauen keine Antwort bekommt). 
Wenn man nicht von so etwas abhängt, dann genießt man den Moment und baut darauf keine weiteren Forderungen oder Illusionen auf. Man kann dann an den folgenden Tagen abstinent sein. Oder mit jemand anderem vögeln. Oder sich wiedersehen. Man kann es tun oder lassen.
Natürlich gibt es auch noch etwas anderes. Einst sprach ich eine Frau an ihrem Arbeitsplatz an, die mir schon ein paar Monate zuvor ins Auge gefallen war, und sie ging sofort wortlos einen Kollegen holen. Ich hatte sie gerade mal nach ihrem Namen gefragt. "Nanu?", dachte ich. Der Kollege erklärte mir, dass sie gehörlos sei. Weil ich die Gebärdensprache nicht beherrsche, brauchte ich noch einen Anlauf, dann hatte ich ihre Nummer und schlug vor, dass wir uns erst mal über Smilies anchatten und verständigen. Ich ging ins Freie an einen Brunnen, fuhr mir meine Ergotamintabletten ein und hielt mir die Ohren zu, um mir vorstellen zu können, was sie (nicht) hört.
All dies sind Facetten der Figur Ikkyu. Und im Geiste Ikkyus sind das keine Fragen von Moral mehr. Man kann sie natürlich jederzeit dazu machen. Aber man kommt nicht weit, wenn man meint, es ginge hier wie da um "Rechtfertigungen". Das glauben wohl Leute, die nicht tun (können), was Ikkyu tat. Die nicht auf den Markt zurückkehren, sondern nur auf einen Jahrmarkt der Eitelkeiten. Sie werden zu Opfern ihres eigenen moralinsauren Zens, das in grauer Theorie verharrt. 

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