Buchreview: warum unsere Kinder Tyrannen werden

Zugegeben, der Titel ist etwas provokativ. Die Wikipedia definiert als „Tyrann“

„Tyrann bezeichnete in der griechischen Antike den Inhaber einer Tyrannis, später allgemeiner einen Herrscher, dem die Legitimität abgesprochen wurde (z. B. einen Usurpator). Heute wird der Begriff als Synonym zu „Gewaltherrscher“ verwendet“

Und das sollen unsere Kinder sein ? Da denkt man eheran Nero, an die Zerstörung Roms und an ähnliche verabscheungswürdigen Zeitgenossen.Aber doch nicht an unsere lieben süssen Kinder. Oder doch ? Nun ja, die kleinen können ganz schön „tyrannisch“ werden, ihre Eltern und sonstige Mitmenschen regelrecht tyrannisieren, meistens um den eigenen „dicken Kopf“ durchzusetzen.

Der Kinderpsychiater Dr. Michael Winterhoff hat sich dieses Thema angenommen, basierend auf seine jahrelange praktische Erfahrung aus seiner Praxis. Seine Ergebnisse sind im Buch „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ zusammengefasst. Das Buch kletterte recht schnell auf die Spiegel BestsellerListe und dies aus gutem Grund.

Der Autor setzt sich mit dem hiesigen Erziehungsmethoden die immer mehr von eher partnerschaftlichen Umgang mit Kinder geprägt sind als aus einer klaren Trennung zwischen Erwachsenen und Kinder. Aber war das nicht auch so gewollt ? Sind Kinder nichts anders als kleine Erwachsenen, die mit Respekt und Achtung behandelt werden sollen ? Sollten die kleinen nicht allmählich in wichtigen Entscheidungen miteinbezogen werden?War das nicht das Wesen der sogenannten „Antiautoritären Erziehung“, Neill, Summerhill Schule und ähnliches ? Das war doch die „Bibel“ der Kindererziehung in den 60er Jahren. Ganze Generationen von Kinder sind so erzogen worden und beglücken nun als Erwachsene unsere Gesellschaft durch Toleranz, Respekt und Nächstenliebe.Wirklich ? wenn man sich etwas umschaut, sieht man eher viel Egoismus und Rücksichtlosigkeit. Ob das etwas mit der Erziehung zu tun hat?

Dr. Winterhoff hat (wohl aus gutem Grund) die blanke Konfrontation zwischen „Autoritäre“ und „Antiautoritäre“ Erziehung vermieden. Diese Begriffe kommen in Buch kaum vor. Vielmehr beschäftigt sich eher mit der Frage, wie sich die Psyche des Kindes entwickelt und was sie für eine gesunde Reifung benötigt.

Und da fangen die Missverständnisse an. Für viele Eltern sind Kinder in der Tat „kleine Erwachsenen“, sie gehen davon aus, dass die Psyche des Kindes schon genug entwickelt worden ist. Das ist nach Meinung des Autors ein grosser Irrtum. Die kindliche Psyche unterliegt einem ständigen Wandel und formt sich erst allmählich. Dieser Prozess sollte ausreichend von den Erziehungspersonen altersgerecht begleitet werden.

Kleinkinder in Babyalter z.B. sind gewohnt, dass bei der kleinsten Regung sofort Erwachsene zur Seite stehen und seine Bedürfnisse befriedigen. Er lebt in einer Welt, wo er im Mittelpunkt sitzt und alle anderen Menschen nur existieren, um sich um das Baby zu kümmern. Das ist ja auch gut so, denn das Baby kann sich ja nicht selbst versorgen. Im Laufe seines Lebens wird jedoch das Kind lernen, dass andere Menschen ebenfalls existieren, die eventuell auch andere Wünsche haben. In einer gesunden Entwicklung wird das Kind lernen dies zu respektieren und auch begreifen, dass die eigene Bedürfnisse nur zu einem gewissen Punkt befriedigt werden können. Es wird lernen auch die Grenzen anderen Menschen zu kennen und zu respektieren und wird auch eventuell mit Frust konfrontiert, die es wiederum überwinden soll.

Und gerade hier fangen Fehlentwicklungen an. Es besteht nämlich die Gefahr, dass der junge Mensch für Jahre in der Ich-bezogene Stufe zurückbleibt.Für die Aussenwelt wirken solche Kinder als „besonders willenstark“ und „eigene Persönlichkeiten“. D.h. Erwachsene interpretieren die Fehlentwicklung sogar als „positive“ Charaktereigenschaften ohne die Fehlentwicklung in geringsten zu erkennen.Das sind jene Kinder, die Anweisungen von Erwachsenen völlig ignorieren, unbedingt ihren Willen durchsetzen wollen koste was es wolle, sei es durch Schreie, eben körperliche Gewalt gegen Erwachsene oder durch Missachten jegliche Regel die in Zusammenleben mit anderen Menschen notwendig sind. Das sind die Kinder, die schlimmstenfalls unfähig sind nur 30 Minuten in der Schule ruhig zu sitzen und den Unterricht zu folgen. Ein deutliches Zeichen dafür ist die niedrige Frustrationstoleranz solche Kinder, sie können selbst mit kleinsten Frustrationen des Lebens nicht fertig werden und reagieren sofort tief beleidigt und eingeschnappt.

Das Buch bietet genügend Beispiele aus dem wirklichen Leben um solche Fehlverhalten genügend aufzuzeigen. Dabei fällt immer auf, dass die jeweiligen Eltern keineswegs sich dessen bewusst sind, dass bei dem Kind eine Fehlentwicklung vorliegt.

Die Gründe für solche Fehlentwicklungen in der Reifung der Kinderpsyche liegen nach Meinung des Autors in Beziehungstörungen zwischen Eltern und Kind:

  1. Partnerschaftlichkeit: Kinder werden eher als Partner verstanden und nicht als Kinder
  2. Projektion:Eltern tauschen die Rollen und begeben sich „unter“ das Kind
  3. Symbiose: Eltern „verschmelzen“ ihre eigene Psyche mit der des Kindes 

Spätestens hier wird klar, dass das „Problem“ nicht alleine beim Kind liegt, sondern an Fehlentwicklungen die von Erwachsenen und Erziehungspersonen ausgehen. Die „Fehlentwicklung“ des Kindes ist nur die Folge davon.

Es fällt vielen Erwachsenen in der Tat schwer, sich deutlich als „Erwachsener“ von „Kind“ zu differenzieren. In der übertriebenen „Partnerschaftlichkeit“ wird das Kind viel zu früh als „Partner“und nicht als Kind verstanden. Dazu ist das Kind aber psychisch gar nicht in der Lage, selbst wenn es nach aussen so den Eindruck erweckt.

Fazit:interessant geschrieben, mit vielen nützlichen Beispiele und unbedingt lesenswert für Eltern und solche, die es werden wollen.

Preis: 9,95 EUR bei Amazon.de als Taschenbuch.


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