[Buch] Das geraubte Leben des Waisen Jun Do – Adam Johnson


Kriegsrethorik, Atombombentests und immer wieder der scheinbar selbe Mann im grauen Trainingsanzug… Die Welt blickt wieder mal gespannt auf Nordkorea und kommt aus dem Rätseln nicht heraus. Eine der letzten kommunistischen Bastionen, dessen Verhaltensweisen und Inszenierungen längst grotesk und surreal wirken, spielt Theater. Irgendwie aus der Zeit gefallen…

Zu diesem Eindruck trägt auch die anhaltende Mystifizierung durch einige Medien bei. Meist sind es Phrasen und das Nicht-Vorhandensein von Vor-Ort Informationen, die das oft genutzte Bild aufrechterhalten. Nicht selten wird transportiert, dass es sich bei Nordkorea um ein Land einzig aus Militär- und Parteimarionetten handelt…Wo bleiben die Menschen?

Mit dieser Fragestellung geht der Amerikaner Adam Johnson in seinen “großen” (rund 680 Seiten langen) Nordkorearoman Das geraubte Leben des Waisen Jun Do. Johnson konstruiert das Waisenkind Pak Jun Do als annonyme Formatvorlage in einem scheinbar anonymen Staat. Er lässt ihn beim Militär dienen, lässt ihn für den Geheimdienst arbeiten, lässt ihn in Ungnade fallen und letztenendes sogar zum Spielzeug des Staatsführers Kim Jong-Il aufsteigen.

Das was den meisten Presseberichten fehlt versucht Johnson bewusst in den Text einzubauen. Menschlichkeit und persönliche Züge. Durch längere Aufenthalte in Nordkorea und dem Kontakt zu Nordkoreanern (so gut wie irgendwie möglich) gestaltet er eine Geschichte. Dabei bleibt es eine Geschichte. Als Leser kann man mangels Kenntnis und eigenen Erfahrungen nie genau sagen, was Fiktion und was Realität ist. Dennoch schafft es Johnson eine Geschichte zu entwickeln, die einem mehr bietet als übliche Sachberichte und Meldungen. Die Schilderung und das Zulassen von Gefühlen, Zwischenmenschlichem und Stimmungen erzeugt eine Atmosphäre. Er schafft es in gewisser Weise mit dem Hauptdarsteller Pak Jun Do eine Leinwand aufzuspannen, auf die er seinen Eindruck des Landes projeziert. Dies ist einerseits für den geschilderten Leseeindruck verantwortlich, führt allerdings andererseits zu einer gewissen Langatmigkeit.
Der große Kritikpunkt an diesem Werk ist die mangelnde Verknappung. Johnson wird an vielen Stellen recht ausschweifend. Zwar ist dies vermutlich aufgrund der vielen Vor-Ort Eindrücke die er gesammelt hat verständlich, zieht allerdings das Werk in die Länge und lässt den gesetzten Fokus auf den Mensch und seine Austauschbarkeit in einem totalitären System verschwimmen. Eine stärkere Abstraktion an dieser Stelle wäre wünschenswert.

Alles in allem ist Adam Johnson ein interessanter und in seinem Handlungssverlauf abwechslungsreicher Roman gelungen. Durch persönliche Erfahrungen und den Einsatz von Fiktion gewinnt der Leser einen ganz neuen Eindruck von Nordkorea, welcher einerseits orwellsche, groteskte als auch menschliche Züge trägt.

Adam Johnson

“Das geraubte Leben des Waisen Jun Do”

687 Seiten

Suhrkamp Verlag, 2013

ISBN:   978-3-518-46425-0

 


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