Bretagne 2015 – Heimreise: Von frühem Aufstehen, kulinarischen Auto-Exzessen und der Verwandlung von Kaffee in Urin und zurück

Es ist 3 Uhr morgens. Der Wecker ermahnt uns nach einer sehr kurzen und fast schlaflosen Nacht, aufzustehen. Die Heimreise steht an. Im Autopilot und wenige Worte wechselnd wird geduscht und ein Kaffee runtergeschüttet, Betten werden gemacht und letzte Sachen im Auto verstaut.

Esquibien. Im Mondschein.

Esquibien. Im Mondschein.

Der restliche Müll muss auch noch weggebracht werden, zu den Containern an der Straße. Erlaube mir, eine Glasflasche in den normalen Hausmüll zu werfen. Werde als Deutscher dafür sicherlich in der Recyclinghölle schmoren, wo ich bis in alle Ewigkeit schmutzige Joghurtbecher säubern muss. Dafür haben wir aber den gesamten Urlaub über so vorbildlich Müll getrennt, wie es nur deutsche Touristen machen. Gehe davon aus, dass uns Präsident Hollande dafür demnächst den goldenen Müllbeutel am langen Bande verleihen wird.

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Dann geht die Fahrt los. Programmiere das Navi für die Heimreise. Nach unseren ernüchternden Erfahrungen auf der Hinreise diesmal über die französischen Mautstraßen. Das Navi seufzt erleichtert auf und freut sich über unsere Lernfähigkeit.

Die Freundin steuert das Auto ein letztes Mal die hügelige Strecke zwischen Esquibien und Audierne entlang. Erzähle den Kindern, dass ihr Vater diese Berge und unmenschlichen Anstiege fast täglich mit dem Rad bezwungen hat, um zum Frühstück im Schweiße seines Angesichts Brot für die Familie und die Freunde zu besorgen. Die Tochter und der Sohn rollen mit den Augen und geben danach vor, zu schlafen. Wahrscheinlich war meine Beschreibung so realistisch, dass sie die Erschöpfung übermannte.

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Audierne ist zu der frühen Stunde wie ausgestorben. Bin etwas enttäuscht, hatte ich doch erwartet, dass Vertreter der Bäcker-Innung, des Fleischerei-Verbandes, der Butter-Industrie, des örtlichen Einzelhandels sowie der Geschäftsführer des Supermarkts Spalier stehen, um uns mit gebotener Würde und angemessenem Respekt zu verabschieden.

Tun sie aber nicht. Entweder ist die Trauer über unsere Abreise zu groß oder sie schwimmen gerade in Badewannen voller Geld. Wahrscheinlich letzteres, hat doch der Verbrauch an Weißbrot, Kouign Amman, Grillgut sowie anderen Waren des täglichen Konsums durch unsere sympathische, stets hungrige 9-köpfige Reisegruppe der lokalen Wirtschaft in zwei Wochen ungefähr den halben Jahresumsatz beschert.

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Das Navi schickt uns über bretonische Feldwege und Landstraßen und später auf die erfreulich leeren Maut-Autobahnen. Die schlaflose Nacht fordert aber ihren Tribut. Bin müder als früher, wenn ich Donnerstagmorgens in der 10. Klasse Chemie-Unterricht bei Herrn Meier hatte. Und das will etwas heißen. Der Freundin geht es ähnlich und wir wechseln fast so häufig den Fahrer wie der HSV seine Trainer. Zur Aufrechterhaltung der Konzentration beim Fahren essen wir Sandwiches, Würstchen sowie Schoko-Cookies in nicht mehr als handelsüblich zu bezeichnenden Mengen und spülen das Ganze mit Cola runter.

Die Kinder vergnügen sich derweil wie auf der Hinreise in ihrem Entertainment-Center auf der Rückbank. Sie schauen DVDs, bis ihnen die Augen fast aus dem Kopf fallen und spielen bis zur Daumenlähmung Nintendo. Dazu essen sie Milchbrötchen, Kekse, Chips, Kaugummis und diverse andere Lebensmittel, die allesamt wegen ihres bedenklich hohen Zucker-, Fett- und Salzgehalts auf der roten Liste der ‚Deutschen Gesellschaft für Ernährung‘ stehen.

Möglicherweise wäre RTL II interessiert, eine Doku über unsere Autofahrt zu drehen. Arbeitstitel: „Die schlimmen Verwandten der Hempels auf Reisen“

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Nachdem wir die holprigen belgischen Autobahnen mit ihren kraterähnlichen Schlaglöchern ebenso überlebt haben wie die penisverlängernden PS-Boliden deutscher Bleifüße, kommen wir gegen 18 Uhr endlich bei den Bonner Freunden an. Dort verbringen wir die Nacht. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 5 Uhr. Fühlt sich nach gestern fast wie Ausschlafen an.

Einen schnellen Kaffee später sitzen wir schon wieder im Auto auf dem Weg nach Berlin. Unser Ernährungsverhalten sowie der Medienkonsum der Kinder bewegen sich weiterhin im jugendamtalarmierenden Bereich. Befürchte, in Berlin verlassen vier adipöse, geistig verblödete Hängebauchschweine das Auto. Vielleicht sollten die Kinder das letzte Schuljahr besser noch einmal wiederholen, da ‚Ice Age‘, ‚Harry Potter‘ und ‚Modern Family‘ sämtliche Lerninhalte verdrängt haben.

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Unser ausgiebiger Kaffeekonsum während der Fahrt erfordert den ein oder anderen Raststätten-Zwischenstopp, um den dortigen Sanifair-Anlagen einen Besuch abzustatten. Investiere die dort erhaltenen Bons in neuen Kaffee. Erkläre der Freundin stolz, dass wir quasi Kaffee in Urin und diesen wieder in Kaffee umgewandelt haben. Sie verzichtet daraufhin auf ihren Kaffee und überlässt ihn mir.

Mittels Sanifair-Gutscheinen habe ich heute Kaffee in Urin und dann wieder in Kaffee umgewandelt. Ich bin ein verdammtes Genie.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 2. August 2015

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Obwohl wir gut vorankommen, zieht sich unsere Heimfahrt doch erheblich. Die Sekunden vergehen im Minuten-, die Minuten im Stundentakt. Dies gibt mir die Gelegenheit, über die unterschiedlichen Fahrstile der Freundin und von mir zu sinnieren.

Ich gehöre eher zum Typus des ruhigen, bedächtigen und rationalen Autofahrers. Die Freundin dagegen fährt mit sehr viel Leidenschaft und Emotionen und hat für die anderen Fahrer gerne ein paar freundliche Hinweise in punkto Fahrspurwechsel, Blinken, Auffahren oder Geschwindigkeit im Allgemeinen parat. Mitunter in barsche Worte verpackt, die aber nicht so gemeint sind.

Die Freundin ist allerdings vollkommen anderer Meinung. Zum einen solle ich das bräsige Phlegma, welches meine Fahrweise kennzeichnet, nicht mit Besonnenheit und Rationalität verwechseln. Zum anderen interessiere sie sich halt für das Fahrverhalten der anderen Verkehrsteilnehmer und außerdem lernten die Kinder dadurch frühzeitig wichtige Lektionen über Sicherheit beim Fahren auf der Autobahn. Sie sieht sich gewissermaßen als Petra Lustig mit 7. Sinn (Ältere Leserinnen und Leser wissen, was damit gemeint ist.).

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Nach gut 1.700 Kilometern und mehr als 20 Stunden Heimreise nähern wir uns allmählich Berlin.

„Es sind nur noch 100 KM bis Berlin. Esst eure Süßigkeiten schneller.“ Auch auf langen Autofahrten ist mir die Ernährung der Kinder wichtig. — Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 2. August 2015

In der Wohnung angekommen begrüßen die Kinder überschwänglich ihre Stofftiere, wir stellen uns den Wollmäusen und Spinnen vor, die sich in unserer Abwesenheit im Wohnzimmer häuslich eingerichtet haben. Anschließend beseitigen wir im Auto die gröbsten Spuren unserer kulinarischen Exzesse der letzten beiden Tage und bringen den Wagen zurück zur Verleihfirma.

Nach dem Aufräumen des Mietwagens wäre ich bereit für eine Karriere als Tatort-Reiniger.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 2. August 2015

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Abends genießen wir zum Abschluss des Urlaubs ein letztes bretonisches Mahl mit Baguette, Tomaten, französischem Weichkäse und Salami. Und wenn die Nachbarn auf Toilette gehen und ihre Exkremente durch die Rohre spülen, klingt es mit ein wenig Phantasie fast wie das Rauschen des Meeres in der Ferne. Toll!

Bretonisches Abendmahl. Fast.

Bretonisches Abendmahl. Fast.

La Fin!

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