Bodyshaming

Bodyshaming Illustration

Wer es sich nicht nehmen kann, im Wartezimmer eines der bunten Klatschmagazine in die Hand zu nehmen, oder wer sich vermehrt in sozialen Netzwerken herumtreibt, der kommt nicht drumherum: Überall werden Menschen nicht nur abgebildet, sondern auch beurteilt. Und weil man die abgebildeten Personen nunmal nicht persönlich kennt, wird ihr Aussehen genau unter die Lupe genommen. „So sieht Person A nicht mehr aus!“ ist ein beliebter Clickbait, ganze Artikel in Paparazzi-Zeitschriften befassen sich damit, welche Stars und Sternchen schon oder eben nicht ihre Bikinifigur erlangt haben.

Während man sich als Person der Öffentlichkeit wohl schon an so eine Art der Beurteilung des eigenen Körpers gewöhnt haben könnte, werden auch Privatpersonen genauestens betrachtet und in vielen Fällen geradezu zerrissen. Dieses Verhalten wird als Bodyshaming bezeichnet, also als das negative kritisieren eines Körpers. Obwohl man natürlich ganze Doktorarbeit damit füllen könnte, was dieses Verhalten überhaupt soll und zu was es führt, soll dieser Artikel sich hauptsächlich mit Ausprägungen des Bodyshamings und meiner bescheidenen Meinung zu der Debatte.

So fett zu sein ist ungesund!“

Besonders fällt mir das Auseinandernehmen von Körpern auf, wenn es um dicke Frauen geht. Dicke Frauen und Mädchen sollten zum Beispiel, so lese ich es häufig in Kommentaren in sozialen Netzwerken, bestimmte Kleidung nicht tragen. Und warum sollten sie die nicht tragen? Weil es der Ästhetik mancher Betrachter widerspricht. Und wer sind diese Betrachter? Die Modepolizei? Wohl eher nicht. Es gibt sicher viele Menschen, denen der Kleidungsstil der Kommentatoren auch nicht gefällt. Der Spaß an unserem gesellschaftlichen Leben ist, dass man auch mal Meinungen für sich behält, denn Geschmäcker sind und bleiben nunmal unterschiedlich. Wer will sich außerdem ernsthaft darüber beschweren, dass auch Menschen außerhalb der Standard-Kleidergrößen Spaß an Mode haben? Wir leben – zum Glück – in einem freien Land, in dem man anziehen darf, was man möchte und das deshalb auch tun kann und soll. Du findest Menschen oder ihre Kleidung nicht schön? Dann guck weg, es ist ganz einfach.

In den Massen von negativen Kommentaren unter Abbildungen von dicken Menschen findet sich eine Meinung besonders häufig, und zwar, dass fette Menschen ungesund lebten. Damit zusammen hängt eine Meinung die behauptet, dass das Abbilden, Repräsentieren und Wertschätzen von dicken Menschen einen ungesunden Lebensstil propagiere. Meine Meinung zu diesem Argument ist an dieser Stelle: Bullshit. Natürlich kann Übergewicht zu bestimmten Krankheiten führen. Muss es aber nicht. Und vor allem ist das Gewicht kein Abbild des Lebensstils. Es gibt Menschen, die gesund leben, Sport treiben, sich gesund ernähren und dick sind. Genau so gut gibt es Menschen, die Alkohol trinken, rauchen, unsportlich sind, sich hauptsächlich von Fast Food ernähren und in eine Kleidergröße zwischen 34 und 40 passen. Mein Verdacht ist, dass das Ungesund-Argument häufig nur vorgeschoben wird, weil das Äußere eines dicken Menschen nicht gefällt. Wo sind zum Beispiel die Ungesund-Kommentare unter der Jim-Beam-Werbung, in der Mila Kunis mit Holzfässern voller Schnaps posiert? Ein gesunder Lebensstil wird von einer Bourbon-Marke sicherlich nicht propagiert – diesbezügliche Kommentare sucht man aber vergebens.

Nur Hunde spielen mit Knochen!“

Nun finden sich natürlich nicht ausschließlich negative Kommentare unter Beiträgen, in denen Menschen gezeigt werden, die dick sind oder zugenommen haben. Viele Menschen finden eine speckigere Figur anziehend und finden, dass es bei dieser Art von Figur „wenigstens was zum Anfassen“ gäbe. Anstatt bei einer postitiven Aussage zu bleiben, schlagen Kommentare dann aber oft in eine entgegengesetzte Form des Bodyshamings um, nämlich in das Abwerten von dünnen Menschen. „Nur Hunde spielen mit Knochen!“ ist etwa ein beliebter Kommentar, um eine dünne Gestalt zu kommentieren. Die Sängerin Megan Trainor, die in ihrem Lied All about that Bass füllige Figuren besingt, singt auch gleichzeitig über das Gegenteil dieser: „Im bringin’ Booty back, go ahead and tell them skinny Bitches that.“ Toll. Eine positive Auseinandersetzung mit Körpern bestimmter Größen funktioniert also auch hier nur über das Abwerten von anderen Körpertypen.

Bodyshaming

Es ist halt einfach nicht mein Geschmack!“

An Tagen, an denen ich noch dieses gewisse extra Stück Energie aufbringen kann, mische ich mich in Duskussionen in sozialen Netzwerken ein und frage Menschen, die etwas abwertendes kommentieren, ob sie eigentlich bescheuert sind und ihre miese Meinung nicht für sich behalten können. Oft gehen Rechtfertigungsversuche dann in die Richtung „Ist halt meine Meinung – wie diese Person aussieht trifft einfach nicht meinen Geschmack“. Natürlich ist Schönheit subjektiv, aber man sollte trotzdem nicht vergessen, dass man auch in seinem persönliche Geschmack beeinflussbar ist und auch beeinflusst wird. Man denke nur einmal daran, was für eine Mode in den 90ern in war – damals fand man Plateauschuhe unendlich gut, während man sich heute bei dem Anblick der Buffalos gerne übergeben möchte. Und dass sich die Auffassung von Schönheit mit der Mode ändert ändert, betrifft eben auch Körperlichkeit. Riesige Hintern, wie sie heute schick sind, wären vor zwanzig Jahren noch ein Makel gewesen, Silikonbrüste waren in den 90ern schick und sind heute schon wieder out.

Aber wie wird man eigentlich beeinflusst? Heruntergebrochen und vereinfacht hält man immer das für normal und gut, was um einen herum am meisten repräsentiert ist, was von dieser Norm abweicht wird dagegen häufig als unschön empfunden. Nun wird in Medien ein einseitiges Bild von Schönheit gezeigt. Prominente, Schauspieler in Serien und Filmen Models in Zeitschriften und in der Werbung entsprechen einem bestimmten Aussehen und reproduzieren damit eine bestimmte Vorstellung von dem, was schön ist – dieses Bild entspricht allerdings nicht dem, was normal ist. Ein Beispiel dafür ist Cellulite: 80 bis 90 Prozent der Frauen haben die Veranlagung dazu. Repräsentiert werden jedoch nur glatte Beine und Hintern. So haben Frauen, obwohl Cellulite das Normalste der Welt ist, oft das Gefühl, dass ihre Orangenhaut ein Makel ist. Ähnlich verhält es sich bei weiblicher Körperbehaarung. Obwohl die allermeisten Frauen sie haben, wird sie einfach nicht dargestellt – selbst in Werbungen für Damenrasierer rasieren sich die Models ihre bereits glatten Beine. In Printmedien dargestellte Personen werden außerdem mit reichlich Make-Up und Fotobearbeitungen so weit von der Wirklichkeit entfernt, dass das dargestellte Bild von Schönheit für niemanden erreichbar ist. Das Ergebnis ist, dass sich nur vier Prozent der Frauen schön finden. Nur vier! Prozent! Das Hinterletzte, wie ich finde. Viel mehr Menschen sollten sich schön finden, aber das kostet eine Menge Energie. Zum Beispiel, weil man eben dem konstanten Bodyshaming standhalten muss.

Unrealistic beauty Standards

Was tun?

Eine ganz einfache Regel einzuhalten, wäre die Lösung des Problems: Hör auf, anderer Leute Aussehen herunterzumachen. Was soll das überhaupt? Niemand sieht besser aus, wenn er andere hässlich macht. Menschen haben völlig unterschiedliche Körper und können gar nicht einem festgelegten Ideal entsprechen. Sollen sie auch nicht. Wenn alle Menschen gleich aussähen wäre das wie ein botanischer Garten in dem nur eine einzige Blumensorte wachsen würde. Menschen müssen aber vor allem für sich selber realisieren, dass Schönheitsideale nicht nur variabel sind, sondern eben auch unerreichbar sind, weil sie eben nicht die Realität sondern ein Ideal zeigen. Ich habe mal ein ganz passendes Zitat gelesen, das etwa so geht: In einer Gesellschaft, die von deinen Selbstzweifeln profitiert, ist sich mögen ein Akt der Rebellion.

Body acceptance



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