Bitte schenkt mir nichts!

Kaffe-Sahne – durchaus gut. Oben braune – unten weiße Schokolade, zumindest etwas, das so aussieht und schmeckt für einen, der noch nie Schokolade gegessen hat. Es sei ja nicht selbstverständlich, was man tue, ein kleines Dankeschön für die Mühe und außerdem, unausgesprochen schwingt mit, man sei ja was schuldig. Ich möchte keine Merci-Vorratspackungen mehr!

Lait Fourre Praline/Milch-Praline  - genauso süßlich wie dieses andere Produkt aus dem Hause Storck – das sind die, die ansonsten Kieferbrecher fabrizieren, die einem erst die Zähne zusammen kleben und dann die Plomben rausreißen. Genauso süßlich fällt der Dank aus.

Ist man derart schemenhaft geblieben, dass Dank mit einem standardisiertes Industrieprodukt übergeben werden muss? Hat man derart neutral gelebt, dass die Geste wahlweise zwischen Maoam, einer Milka-Saison-Hohlfigur oder absurden Spongebob-Kaugummis wählen könnte, dann zu der Finest Selection greift, weil die findigen Produzenten ein “Merci” draufgeschrieben haben?

Amer a la Creme/Herbe Sahne – nicht, dass da einer bitter würde. Es ist ja gut gemeint. Eine Karte war nicht nötig gewesen, auch kein Schulterklopfen, nicht einmal ein individuelles Geschenk hatte man erhofft, als die Hand in die Lidl-Tüte ging, kramte, herumwühlte und dann diesen Pappkarton hervor beförderte. Enttäuschte Erwartungen, selbst schuld.

Bitte!

Bitte!

Lindt bietet “Kleiner Dank” an und “Von Herzen”. Wesentlich teurer und es sind nur vier Pralinen, oder in Geschenkpapier eingewickelte Schokoladen, drin. Der Markt hat schnell gelernt, kopiert, variiert und enthebt den Konsumenten des Denkens. Semantisch wird aufgepasst und sich auf kritische Geister eingestellt. Klein sei das Dankeschön, mehr eine kurzes Zwinkern auf dem Gesicht der Empathie, etwas für Akademiker und Intellektuelle. Besser macht es das nicht. Ich will ja keinen Schal gestrickt bekommen, niemand muss mir ein Gemälde malen oder ein Gedicht verfassen. Immerhin würde ich mich später erinnern und mich gefreut haben. Weil das, was ich getan habe, jemandem soviel bedeutet hat, dass Zeit und Mühe auf sich genommen wurden, mir etwas auf den Leib zu schneidern. Jemand hat gedacht und ist nicht einfach durch Rewe gelaufen.

Das Dankeschön unter Bohnensuppe, Katzenfutter und einem Sixpack verramscht. Wer will das haben? Oder war das, was man getan hat, so unwesentlich, dass es genau dort ziemlich gut aufgehoben ist? Mag sein. Dann möchte man das aber nicht wissen. Bisweilen schenke ich die Merci-Packungen weiter. Denke mir einen Grund aus, aber so einfach geht das nicht.

“Für was habe ich das verdient?”

Auf die Frage sollte man sich wappnen.

“Fürs Bügeln. Fürs Kochen. Fürs Kinder Gebären. Einfach mal so.”

So mal einfach so ist nicht. Immerhin freuen sich alle. Eine Magnum-Packung Merci zirkuliert und schafft gute Laune. Ein Kettenbrief der Herzlichkeit, der ansteckt und zum Nachdenken anregt. Wohin bloß mit dem Dank von der Stange?

Storck hat viel Mühe verwendet und es im deutschen Bewusststein fest verankert. Zu Ostern gibt es Osterhasen und an Weihnachten den Weihnachtsmann, für zwischendurch eine Packung Merci.

“[...] die köstliche Vielfalt der Variationen – meisterlich zubereitet [...]“, schreibt die Firma und ihr ist kein Vorwurf zu machen. Sie haben es probiert und auf ganzer Linie gewonnen. Wie der Volkswagen fürs ganze Volk ist, wie die Tagesschau dem ganzen Volk die Wahrheit sagt, so verbreitet Merci die Dankbarkeit unter den Menschen. Vielfalt des Dankes wird in dem Zweisilber vergebens gesucht, Variationen des Dankes finden hier nicht statt, meisterlich ist das nicht. ”gratis agere” sagten die Römer und meinten “Dank abstatten durch die Tat”. Das ist wesentlich ungelenker als “merci!”, will ja aber gar nicht   gesprochen werden, sondern umgesetzt.

Lait-Almandes-Noisettes/Mandel-Milch-Nuss – die Plomben bleiben also drin, die Haselnusskörner auch. Stecken fest in den sich nach der letzten Zahnsteinenentfernung aufgetanen Zahnfleischtaschen. Der Dank geht den Gaumen hinunter. Merci! Etwas bleibt, das bleibt hängen, das nimmt man mit. Ein simples “War nett” hätte genügt, das hätte es auch getan. Wer von einem austauschbaren Produkt an die eigene Austauschbarkeit erinnert werden möchte, darf das gerne tun. Oder an was anderes denken. Ich jedenfalls möchte keine Schokolade mehr. Eine Lächeln reicht oder auch ein Schal im Winter. Das würgt die Spontanität im Aldi zwar ab und vermutlich krieg ich dann auch allgemein weniger geschenkt: “Er ist ja so wählerisch geworden.” Das ist aber in Ordnung. Ich schaff das, da komm ich mit klar.

Der Schal müsste nicht einmal groß sein. Ein Fingerüberzug aus alter Schurwolle würde genügen. Danke.

Beat Gelbfish


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