Big Brother is watching us - Überlegungen zu einer politischen Kommunikation unter den Bedingungen einer umfassenden Überwachung


Big Brother is watching us - Überlegungen zu einer politischen Kommunikation unter den Bedingungen einer umfassenden Überwachung

Das Spiel

Wir sind alle Spähmaterial. Aktanten (Luhmann) in einem unehrlichen Spiel. Nicht ganz aktiv, nicht ganz passiv. Sowohl-als-auch. Spionagespiel. Weltweit. Das Spiel ist zur Zeit Streitfall unter den Parteien, aber auch zwischen Politik, Geheimdiensten und Bürgern - zudem wurde es obendrein Wahlkampfthema. 
Das Geheimnis der weltweiten Ausspähung erblickte das Licht der Welt und wurde zum Ärgernis. Genau genommen, war es der Whistleblower und ehemalige Systemadmnistrator der NSA, Ed Snowden, mit seiner Taschenlampe, der es anleuchtete und öffentlich machte. Der Sysadmin hat eben Zugang zu allem. Eigentlich erschreckend, dass die Angestellten der NSA das erst jetzt bemerkten, dass jede Rechtevergabe in den Büros und auf den mobilen Geräten so ausgeklügelt sein mag wie nur möglich, aber im Serverraum jeder Admin Zugang auf alles hat. Nun wollen sie die Prozesse automatisieren und ca. 100 Kollegen von Snowden entlassen. Das bedeutet, dass die Spieler ihr eigenes Spiel nicht im Griff haben. Das Spiel spielt sich selbst. Faites votre jeux! 
Die Regeln des Spiels sind unklar. Hat es welche? Sind sie fest? Wer bestimmt sie? Sind es die nationalen Gesetze? Hat das Gesetz des Spähers zu gelten oder das des Ausgespähten - auch für den Späher? Weil nicht sicher ist, ob überall alle Gesetze - und wenn ja, welche, welchen Staates? - eingehalten werden, ist es ein höchst sensibles juristisches Thema.

Diegese

Ich gehe bei der Politik zu Zeiten weltweiter Überwachung davon aus, dass sie fiktional geworden ist - schon allein, weil das Thema der Geheimdienste dazu verleitet. Geheimdienste heißen nicht umsonst so. Sie sind keine Öffentlichkeitsdienste. Die Politiker bewegen sich als Erzähler dieser Fiktionen entweder außerhalb oder innerhalb dieser Geschichten. 
Die Politik verhält sich also zu ihren Fiktionen: Betrachten wir einmal Pofalla als ob er Teil einer diegetischen Geschichte sei. Steht er als Erzähler in der erzählten Welt oder nicht? Zur Zeit sagt er uns: Die Politik nahm und nimmt nicht an diesem Spiel teil, es gibt kein Spiel, weltweit ist es anders wie Snowden sagt, was aber - so vermute ich - eher Teil der Diegese ist als dass es ihr widerspricht. Gerne würde ich Diegese als rein beschreibenden Begriff nutzen - aber auch hier geht es nicht ohne Deutungen. Oder genauer: Es geht nicht ohne Betrachtungen als-ob es dieses oder jenes wäre beziehungsweise ob es sich ausschlösse.

Der Bürger als Spähmaterial

Das Muster der Suchanfrage trennt Individuum von der Masse 

Der Bürger ist nun weniger der Spieler, mehr der Ge- oder Bespielte. Nicht der Macher. Das subjectum ist nicht mehr der Herr in seinem Haus. Seinem Leben. Es ist mehr der Unterworfene (sub-iectum). Die Laborratte, die durch den Labyrinth rasen oder trotten darf und ein paar Knöpfe drücken. Nach Heisenberg beeinflusst der Beobachter den Beobachteten und das Beobachte schon allein durch sein Beobachten. Die Ratte verhält sich anders als ohne die Beobachtungssituation. Der Mensch als Beobachteter verhält sich eingeschüchtert. 
Dabei ist unser aller je eigene Identität nichtmals mehr ein Datensatz, der uns als Individuum zu beschreiben versucht. Wir sind Teil eines großen Datenflusses. Jedes Spermium ist individueller als wir. Es ist die Suchanfrage, die uns zu dem macht, was wir nicht für möglich halten. Es ist das Muster, das Raster, das uns zum Verdächtigen macht. Alles hängt nun von der Intelligenz der Suchanfrage ab, ob wir unter den Verdächtigen erscheinen oder nicht. Der Zufall wird ausgeschlossen. 

Es gibt kein massenhaftes Ausspähen aller als Individuen

Der einzelne im Status der Beobachtetwerden existiert nicht. Er ist nur Teil einer großen Summe. Einer ausgespähten Masse. Deshalb - so behaupte ich einmal ganz kühn - können die Politiker recht haben, wenn sie sagen, es würden nicht alle beobachtet, nicht alle als Individuen; denn als Einzelner werden sie erst wahrgenommen, wenn sie irgendeinem Muster entsprechen in einer Suchanfrage. Das bedeutet: Sie existieren nur noch als Individuum, wenn sie einem Muster entsprechen, also wenn sie verdächtig sind. Ansonsten sind sie Spähmaterial, ihr Leben ist reine Datenbeschaffung, die nur noch für Suchanfragen da ist. 
Der einzelne Mensch existiert nur als Verdächtiger. Der Verdacht macht das Individuum zu Zeiten der totalen weltweiten Überwachung. Ob du etwas zu verbergen hast, bestimmst nicht du, sondern die Hypothese, aus der das Muster hervorgeht, das den Verdächtigen zugeordnet wird. Verdächtig ist, wer einem Muster entspricht. Erst dann ist er Individuum. Aber eines, dass nur in der Gruppe existiert. In der Gruppe der Suchergebnisse.

Wie kommuniziert es sich als Datensatz ohne Suchanfrage?

Die Datensätze untereinander produzieren nur immer wieder neue Datensätze. Der Mensch existiert im Strom seiner Daten, die er wissentlich oder unwissentlich messbar werden lässt. Der Mensch ohne Verdacht existiert im Spiel nicht als Mensch. Also kann er kommunizieren wie er will, solange er neue Daten produziert.
Jedoch kann er nicht so ohne weiteres aus seiner Einschüchterung heraus. Die Zweiheit der beschönigenden erzählten Welt der Politiker einerseits und  die Fakten der Whistleblower andererseits beschreiben eine höchst krankmachende Situation. An Zweiheiten verzweifelt man oder überlebt nur, wenn sich die Persönlichkeit spaltet. Die meisten werden sich eine Welt schönreden, in der es keine Überwachung mehr gibt. Viele Politiker werden dem folgen.
Der einzige Ausweg: Jeder Beobachtete  - auch der beobachtende Beobachtete - kann sich zum Spiel verhalten. Es aus seiner jetzigen Perspektive beschreiben. Die Fiktionen als solche kennzeichnen. Niemand kann Abstand nehmen zum Spiel.  Nicht komplett. Da scheitern sogar die Macher des Spiels, Zur Fiktionsmaschinerie. Wir stehen alle mittendrin.  Darum müssen wir auf Als-ob-Beschreibungen ausweichen.

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