Berlin: Jenseits von Guggenheim – Die Zukunft der Stadt liegt auf der Straße

Berlin: Jenseits von Guggenheim – Die Zukunft der Stadt liegt auf der Straße

In 500m Luftlinie zum BMW-Guggenheim-Lab wurde über die Zukunft der Stadt diskutiert

In den Medien ist es still geworden um das von der Hauptstadtpresse und der Regierung mit viel Hoffnung begleitete BMW-Guggenheim-Lab. Die Berliner Zeitung berichtete zuletzt vor einer Woche über die Aktivitäten im selbsternannten Laboratorium der Zukunft des Städtischen. Maxim Leo (“Wenn Amerikaner helfen, Berlin zu verstehen“) konnte seinen Spott nur schwer verbergen:

Es gibt da zum Beispiel eine resolute Teamleiterin, die in Australien lebt und die im vergangenen Herbst extra nach Berlin gekommen ist, um mit einhundert ausgewählten Bürgern der Stadt über die drängendsten Probleme zu reden. Danach ist die Frau wieder nach Australien geflogen, hat aus den vielen Gesprächen so eine Art Berlin-Problem-Konzentrat hergestellt. Das war sehr aufwendig und hat sehr lange gedauert, sagt sie. Das Ergebnis ihrer Bemühungen verkündete sie nun stolz auf der Bühne in Berlin: „Arbeitslosigkeit, Mietsteigerung und Gentrifizierung, darum geht es.“ Und mal ehrlich, welcher Berliner hätte das wohl für möglich gehalten?

Ein Blick auf die lokalpolitischen Themen der vergangenen Wochen zeigt deutlich: Der Protest gegen steigende Mieten und Kürzungspolitiken hat den Zukunftsdebatten einfach die Show gestohlen. Die überwiegend türkischen Mieter/innen von Kotti&Co.  halten seit mittlerweile fünf Wochen ihr Protest-Gecekondu aufrecht, Rentner/innen in Pankow haben ihren zur Schließung vorgesehenen Seniorentreff besetzt und ein bunter Haufen von Aktivist/innen hielt einen Bus einer Immobilientagung für mehrere Stunden im Stadtverkehr auf (Fang den Bus!).

Einen Ausblick in die Zukunft Berlins gab heute auch die 4. Lärmdemo von Kotti&Co. Das Co. wurde heute großgeschrieben und das neue Leittransparant beschränkte sich nicht nur auf die Forderungen zum Sozialen Wohnungsbau. “Wir bleiben Innenstadt” ist dabei nicht nur als Forderung zu verstehen, sondern als Kampfansage an alle, die auf steigende Mieten setzen.

Berlin: Jenseits von Guggenheim – Die Zukunft der Stadt liegt auf der Straße

4. Lärmdemo von Kotti&Co. (30.06.2012) // via PM Cheung

Ganz ohne Palaver im Pavillon und internationale Expert/innen wurden so zentrale Fragen der Stadtentwicklung auf die Straßen getragen. Die Presseberichte über die Proteste waren überwiegend freundlich gehalten, aber durch eine erschreckende Form der Entpolitisierung gekennzeichnet. So überraschte der Berliner Kurier nach der Blockade des Immobilientagungsbusses mit der Schlagzeile: “Sightseeing-Tour der Miethaie gestoppt“. Auch zur Besetzung des Seniorentreffs in Neiderschönhausen und zum Protest-Camp am Kotti gab es freundlich gemeinte Artikel. Doch statt politischer Hintergrundrecherche zum Sozialen Wohnungsbau oder bezirklichen Kürzungsentscheidungen beschränken sich die Journalist/innen überwiegend auf die Beschreibung von Protestformen (taz: “Oma macht jetzt Occupy“, “Radikalisiert sich der Protest gegen steigende Mieten?“) oder die Darstellung von Einzelschicksalen (Süddeutsche Zeitung: “Liebling Kreuzberg“). Die Berliner Zeitung schaffte sogar, in einem Bericht über eine Pressekonferenz mit den miet- und stadtpolitischen Sprecher/innen der Oppositionsparteien von “Unerklärbaren Mieterhöhungen” zu schreiben. Die Mieterhöhungen sind sicher vieles: unsozial, skandalös, regelmäßig oder auch nur einfach zu hoch für Bewohner/innen – nur eines sind sie nicht: unerklärlich. Denn im Kern des Protestes der Mieter/innen in Kreuzberg geht es um die Folgen einer perversen Fördersystematik im Sozialen Wohnungsbau – jährliche Mieterhöhungen gehören da zu System. Aufgabe von Zeitungen wäre es eigentlich, ihre Leser/innen über die Geldflüsse und die politischen Verantwortlichkeiten aufzuklären. Stattdessen über “unerklärbare Mieterhöhungen” zu schreiben, heisst sich dieser Verantwortung zu entziehen und die politisch Verantwortlichen von eben dieser zu entlasten. Schade eigentlich. Berlin: Jenseits von Guggenheim – Die Zukunft der Stadt liegt auf der StraßeDass eine direkte Konfrontation für die Thematisierung von Verantwortung mehr Erfolg verspricht, zeigen die Reaktionen auf die dezentral organisierten Proteste zur Immobilientagung des Handelsblattes. Insbesondere die erfolgreichen Blockaden der Busstrecke haben offensichtlich, den einen oder anderen Denkprozess angestoßen. So reflektieren gleich zwei Beiträge im “Immobilienbrief” die Ereignisse vom 18. Juni. Ich finde die Binnenperspektive von der ‘anderen’ Seite des Protestes erstaunlich. Statt Ärger über die lästige Verzögerung überwiegen die nachdenklichen Töne:

Im Verlauf der mehr als 2-stündigen „„Fahrt““ eingeklemmt zwischen gepanzerten Polizisten und tatsächlich wütenden Demonstranten mit echten Hass-Attitüden änderte sich die zunächst belustigte Stimmung im Bus allmählich Richtung Nachdenklichkeit. Unter den Busfahrern war zwar absolut niemand, an den sich der Protest hätte wirksam rächen können, aber Immobilienhaie wie wir geraten nun einmal in Sippenhaft für Wohnungsmieten und PE Investoren mit Heuschreckenmanieren. „„Immobilienhaie zu Fischstäbchen““ war eine einprägsame Botschaft. (…) Der Kollektivstart in den Miethai-Hass regte zum Nachdenken an.

 Was aus dieser Nachdenklichkeit folgt, würde mich interessieren. Vielleicht haben die zwei unerwarteten gemeinsamen Stunden im Bus da ja zu gemeinsamen Ideen geführt, die über die Angst vor einem schlechten Image hinausgehen?

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