Baru: Hau die Bässe rein, Bruno [Edition52] - Ein kontrastreich schraffiertes Globalisierungskommentar

Baru: Hau die Bässe rein, Bruno [Edition52] - Ein kontrastreich schraffiertes Globalisierungskommentar
Die kleinen Leute, die Gauner, die Kneipenspinnereien, der alltägliche Rassismus - Baru bleibt auch in seinem neusten Titel seinem angestammten themantischen Habitat treu - der dunkle, gerne verschwiegenen Seite Frankreichs. Der Arena der Chancenlosen, der Abgehängten - dem Saatboden von Gewalt und Hass.
In seinem neusten Comic vollzieht er einen weiteren eleganten, optischen Hieb gegen den glattgeleckten Stil der gegenwärtigen Comicästhetik, Barus Bilder bleiben roh, unfertig, unförmig - oftmals grotesk verzerrt, seinen Figuren gönnt er selten eine Atempause, die Wut dominiert, die latente Brutalität bleibt ein zentrales Thema. Ungezähmt.
In Hau die Bässe rein, Bruno überkreuzt das enfant terrible des französischen Comics elegant die Lebenswege des jungen afrikanischen Migranten Slimane & des Tunichtguts Zinedine. Und die Namensgebung des Bad Guys ist sicher nicht völlig zufällig. Die Nennung von Zinedine provoziert die Nennung von Zizou. Der Weltfussballspieler, der als (im französischen Integrationsdiskurs gerne ma hochgejazztes) Best-Pratice-Beispiel gilt. Der Junge, der es aus dem Dreck der Slums der Banlieus auf die ganz großen Werbeflächen schaffte.
Der Name ist die Chiffre, die den gesamten Comic strukturiert, denn Fussball gilt hier als das große Versprechen auf eine bessere Zukunft, auf Sicherheit, Wohlstand und Ruhm. Aber beginnen wir ganz vorne.
Slimane ist ein junger, brillanter Fussballkünstler, unglücklicherweise auf der falschen Seite des Mittelmeers heimisch. Er wird von einem etablierten Ballzauberer, der aus Selbstmarketinggründen durch seine vergangene, afrikanische Heimat reist, entdeckt. Der Profi orakelt, wie von ihn gewünscht, von einer strahlenden Zukunft auf dem (europäischen) Rasen - wenn Slimane diese schwer bewachte Wohlstandsgrenze überwindet und nach Frankreich kommt.
Gesagt, getan - die Neugier und die Verlockung überwiegen, die Flucht beginnt. Und auf dem ersten Dutzend Seite nehmen wir teil an einer schonungslose Schilderung der ganz alltäglichen Wanderungsbewegungen zwischen den Polen Elend und Wohlstand. Slimane strandet jedoch nicht auf Lampedusa, verreckt nicht unbemerkt im Mittelmeer, sondern schafft die Flucht über Stacheldrahtbarrieren und Kontrollen - verliert aber auf dieser Flucht nach vorne alles. Völlig mittellos strandet er im heutigen Frankreich - aus der Traum von der Fussballerkarriere, was folgt ist der alltägliche Trott der sans papiers: illegales Arbeiten, Untertauchen, fliehen vor Kontrollen, unsichtbar sein.
Der zweite Erzählstrang dreht sich um Zinedane, ein junger gerae aus der Hft entlassener Heisssporn, der keine Wut im Bauch, sondern Hass im Herzen trägt. Auch er träumt von einer goldenen Zukunft, aber anders als Slimane will er sich diese nicht durch Leistung verdienen, sondern einfach nehmen. Ein großer Bruch soll ihm die Mittel bereitstellen, die er braucht um sein Gangsterdasein ohne weitere Arbeit finanzieren zu können. An seiner Entschlossenheit und seiner Gnadenlosigkeit lässt er wenige Zweifel aufkommen, ehemalige Weggefährte, die ihn verrieten, werden per mehrfachem Schuss in den Kopf bestraft.
Die Wege des Gegensatzpaars müssen sich überkreuzen und Baru inszeniert diese Begegnung mit der ihm eigenen kaltblütigen, sezierenden dramaturgischen Sicherheit. Der Bruch gelingt und beim (gegenseitigen) Versuch sich zu linken und die Beute alleine einzustreichen gerät Zinedane ins Hintertreffen. Aber als Stratege der Gewalt weiss er nur zu genau, wie er seinen Anteil zurückgekommt. 
Slimane hat inzwischen über Umwege endlich seine Chance erhalten sich am Ball zu beweisen, sein Trainer ist verzückt und träumt von Großem, aber eben dieser Trainer ist ein Exgauner, einer der nicht mehr mitmachen wollte, der aber von Zinedane per Zwang und verpflichtet wurden. Und einer derer, die ihn gelinkt haben. Slimane wird entführt & als Faustpfand in einem zynischen Showdown benutzt ... eindrucksvoll, lebensnah, glaubwürdig, der alte Meister Baru eben.
Mehr zu erzählen wäre verwegen, die Schlusspointe des sanften Zynikers will ich nicht vorweg nehmen. Eindrücklicher roman social graphique - um mal dem Feuilletton ne neue Schablone zu liefern :D. Sozial engagierter, nachhaltiger Comic, der das Elend der Migranten in den Mittelpunkt stellt, sollte Schullektüre werden. Der Flaneur zeigt sich (wie bei Baru gewohnt) parteiisch. Schroff, rüde & fern ab von jeglichem Sozialkitsch - starker Titel. Lesen!

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