Autofasten – heilsam in Bewegung kommen #4

Auch dieses Jahr habe ich während der Fastenzeit wieder an der Aktion “Autofasten – heilsam in Bewegung kommen” teilgenommen. Was mich in diesen 6 Wochen tatsächlich bewegt hat und wie es mir ergangen ist, möchte ich Dir heute erzählen.

Autofasten Logo

Durch die erstmalige Teilnahme im Vorjahr hat sich einiges in meinem Alltag verändert. Hatte ich zuvor bereits recht bewusst darauf geachtet, mit dem Auto keine unnötigen Wege zu fahren, so konnte ich durch die Aktion 2015 vor allem im Nahbereich entscheidende Schritte setzen.

Seit vorigem Jahr fahre ich kurze Strecken mit dem Fahrrad bzw. gehe zu Fuß und lasse das Auto oft auch bei schlechtem Wetter stehen.

nicht alle Veränderungen konnte ich in den Alltag mitnehmen

Durch das Autofasten 2015 habe ich seit langer Zeit das erste Mal wieder öffentliche Verkehrsmittel genutzt und für sehr praktisch und auch praktikabel befunden. Trotzdem habe ich das nicht in den Alltag integrieren können.

Natürlich bin ich sehr bequem, das gebe ich unumwunden zu, aber es waren sicher auch andere Gründe ausschlaggebend. Um die Autofahrten zu reduzieren, habe ich viele Wege kombiniert und dafür statt einem öffentlichen Verkehrsmittel doch lieber wieder auf das Auto zurückgegriffen.

Gesamt betrachtet wurden dadurch die Autokilometer im letzten Jahr deutlich reduziert, auch wenn ich noch immer eher mit dem Auto unterwegs war.

so sehen die Straßenbahnen in Graz aus

so sehen die Straßenbahnen in Graz aus

Autofasten 2016

Dieses Jahr wollte ich noch einmal versuchen, die Sache mit dem öffentlichen Verkehr zu testen. Mein Weg zur Arbeit ist relativ weit. Hin und retour fahre ich rund 60 km mit dem Auto, aber es gäbe eine relativ gute Verkehrsanbindung mit 2 Zügen.

Da der Zug nicht vor der Haustüre weg fährt, erweitert sich der Weg jedoch beträchtlich. Durch einen 20minütigen Fußweg oder 10 Minuten mit dem Fahrrad sowie einmal Umsteigen erhöht sich der Zeitaufwand gegenüber der Autofahrt um über 100% von 25 Minuten auf eine gute Stunde!

Pro Tag würde ich eine gute Stunde Zeit verlieren – zumindest habe ich das bisher für mich so empfunden – und dazu konnte ich mich bis dahin nicht entschließen.

Der Hauptgrund für mein diesjähriges Autofasten war daher, dass ich unbedingt den öffentlichen Verkehr zur Arbeit testen wollte.

hardcore Autofasten oder unverhofft kommt oft

Das Leben spielte mir einen bösen Streich, aber eigentlich habe ich zu danken. Mitte Februar ist mein Auto kaputt geworden und musste für ganze 3 Wochen in die Werkstatt.

Da blieb mir nichts anderes übrig als ins kalte Wasser zu springen und das habe ich nach kurzem Schock auch gemacht

In der ersten Woche hat es mich ganz schön geschleudert! So seltsam das vielleicht klingen mag, es war für mich auch emotional eine schwierige Situation. Das erste Mal seit über 30 Jahren stand ich ohne Auto da. Ich habe mich hilflos und verletzlich gefühlt. Klingt das verrückt? Vielleicht, aber es war tatsächlich so und ich habe es mit großem Erstaunen für mich wahrgenommen. Es war mir nicht bewusst, wie abhängig ich mich vom Auto fühle!

Die ersten Tage habe ich es auch nicht geschafft, meine Termine ohne Auto zu organisieren und habe mir für 3 Tage ein Auto ausgeborgt. Anders hätte ich alles nicht bewältigt, da ich 2 Foodsharing-Termin übernommen hatte, wo ich größere Mengen Lebensmittel transportieren musste. Das wäre öffentlich nicht möglich gewesen und die Termine wollte ich nicht absagen.

mein Fahrrad mit der Autofasten-Tafel

mein Fahrrad mit der Autofasten-Tafel

Gelernt habe ich daraus, dass es nicht möglich ist seinen Alltag mit und ohne Auto genau gleich zu organisieren. Immer wieder wurde mir klar, dass ich vieles nur deshalb so mache, wie ich es mache, weil ich ein Auto habe und weiß, dass ich es nutzen kann.

Da ich wusste, dass es länger dauern wird bis ich mein Auto wieder zurück bekomme, habe ich sofort begonnen, meinen Alltag so einzurichten, dass ich auch ohne Auto klar komme. In den 3 darauf folgenden Wochen bin ich mit der Situation sehr gut zurechtgekommen. Ich habe auch keine Termine mehr angenommen, wo ich unbedingt ein Auto brauche.

Um in der Früh Zeit zu sparen, durfte ich mit einer Arbeitskollegin mit zur Arbeit fahren. Das hat in der Früh den zeitlichen Mehraufwand reduziert und zu Mittag bin ich dann mit dem Bus oder Zug wieder nach Hause gefahren.

Auch Arzttermine und kleinere Lebensmittelabholungen für Foodsharing waren zu meiner Überraschung gar kein Problem. Es hat sich alles gut organisieren lassen und mit Hilfe von einem großen Rucksack konnte ich auch die Lebensmittel gut transportieren.

wir haben alle keine Zeit…

Der Zeitaufwand war natürlich deutlich größer als sonst üblich. Aber war das wirklich so? Ich hatte viel Zeit um der Zeitproblematik auf die Spur zu kommen.

1. der Umgang mit dem Auto

Erkannt habe ich, dass ich mich durch den Gebrauch des Autos auf Termine bzw. Unternehmungen einlasse, die ich sonst nicht unbedingt machen würde. Wie schon oben beschrieben – wenn ich meine Lebensführung darauf abstimme, ein Auto zu nutzen, dann kann ich dieses Leben nicht 1:1 auf autofrei umstellen.

Um deutlicher zu machen, was ich meine, ein Beispiel: Ein langjähriger Arzt hat seine Praxis in meinem Heimatort aufgegeben und ordiniert nur noch ca. 20 km weit weg in der nächsten Großstadt. Statt mir einen neuen Arzt zu suchen, bin ich ihm gefolgt und habe eine mehrwöchige Physiotherapie weit weg von zu Hause begonnen. Ohne Auto im Hintergrund würde ich das natürlich auf keinen Fall machen, sondern eine Arzt suchen, der entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder doch zumindest öffentlich sehr gut ohne allzu großen Zeitaufwand zu erreichen ist.

Aufgefallen ist mir auch, dass es nicht so einfach ist Termine auszumachen. Mit dem Auto bin ich zeitlich sehr flexibel und kann in der Praxis meist dann ankommen, wann immer ich es möchte. Das funktioniert mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht, zumindest dann nicht, wenn man den Fernverkehr auch nutzen muss, weil man nicht in der Großstadt wohnt.

Ich hatte Termine vereinbart, wo ich mit dem öffentlichen Verkehr nur entweder um einiges zu früh oder um einiges zu spät ankommen konnte. Ein geübter Öffifahrer würde seine Termine natürlich so vereinbaren, dass sich das alles gut ausgeht. Es ist alles ein Lernprozess.

Zeit ist das, was man daraus macht

Zeit ist das, was man daraus macht

2. ist die Zeit wirklich verloren?

Und dann kommt noch der tatsächliche zeitliche Mehraufwand dazu. Weil es Wartezeiten beim Umsteigen zwischen den Verkehrsmitteln und zusätzliche Wegzeiten zu Fuß oder mit dem Fahrrad gibt. Aber ist das wirklich eine verlorene Zeit?

Das war für mich die spannendste Frage überhaupt, wie würde es mir damit gehen, dass so viel Zeit durch die Benutzung vom Zug verloren geht. Was ich gelernt habe war sehr erstaunlich – die Zeit ist gar nicht verloren, ganz im Gegenteil!

In den 3 Wochen habe ich mehr gelesen als in den vielen Wochen davor und es hat mir richtig viel Spaß gemacht, wieder einmal so intensiv in Bücher einzutauchen. Und auch die Fußwege habe ich sehr genossen, es war so angenehm nach mehreren Stunden sitzen die rund 2 km am Heimweg zu Fuß zu gehen.

Die Zeit war also ganz und gar nicht verloren, im Gegenteil, ich habe sie als geschenkt empfunden, denn sie stand nur mir selbst zur Verfügung und das habe ich sehr genießen können.

Insgesamt ist mir allerdings schon ein bisschen Zeit abgegangen, weil ich einfach viel später nach Hause gekommen bin als sonst üblich. Das liegt aber natürlich daran, dass ich das Lesen und Spazierengehen im Alltag vernachlässige, obwohl es mir so gut täte. Durch die geschenkten Zeiten war ich überraschend ausgeglichen und schon fast ein bisschen erholt, als ich endlich nach Hause kam.

das Auto ist wieder da

Trotzdem war ich nach den 3 Wochen sehr froh, dass das Auto wieder da ist. Endlich habe ich mich wieder ganz gefühlt. Es ist so irre! Ich hätte das nicht für möglich gehalten, dass ich so abhängig bin von diesem Ding! Es ist für mich tatsächlich ein Stück Freiheit damit verbunden und gibt mir Sicherheit im Alltag. Schon seltsam, darüber muss ich noch nachdenken.

Wie sieht der Alltag nun aus?

Sobald das Auto wieder da war, bin ich wieder zu meinem zuvor üblichen Lebensstil übergegangen und fahre wieder mit dem Auto zur Arbeit. Zuerst hatte ich mir überlegt, das zu ändern und auch weiterhin den öffentlichen Verkehr zu nutzen, aber die Bequemlichkeit hat meist gesiegt.

Wie geht es mir nun damit? Eigentlich gar nicht so gut, mir gehen die Lesezeiten ab und auch der Fußweg bzw. das Mehr an Bewegung fehlen mir sehr. Mein Alltag ist wieder deutlich grauer geworden. Mir fehlen der Wind, die Sonne und die Blumen am Wegrand. Meine Verbindung zur Natur wurde wieder ein Stück weit begrenzt.

Damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet! Es zeigt sich einmal mehr für mich, dass – freiwillige oder auch unfreiwillige – Challenges eine Möglichkeit darstellen, viel über sich selbst zu lernen.

Fazit

In meiner Autofastenzeit habe ich insgesamt deutlich über 500 km an Autofahrten eingespart. Das ist eine ganze Menge finde ich. Gelernt habe ich jede Menge über mich, mein Leben, mein gewohntes Verhalten und über das, was ich mag und was ich nicht mag. Ich war überrascht, dass sich wirklich so viel bei mir bewegt hat!

Sehr erstaunt war ich, dass sich der Komfort des öffentlichen Verkehrs so deutlich erhöht hat. Insbesondere die S-Bahn hat eine Verbesserung der Verkehrsanbindungen in Graz gebracht, was ich in dem Ausmaß nicht für möglich gehalten hätte.

Vorgenommen habe ich mir, dass ich ab nächster Woche noch einmal drei Wochen autofrei machen möchte. Diesmal mit Auto-Backup. Ich werde die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, um die meisten Weg damit zu erledigen und die Alltagstauglichkeit noch einmal zu prüfen.

Das Auto habe ich zur Sicherheit diesmal vor der Türe stehen und ich bin schon sehr gespannt, wie ich damit zurecht kommen werde. Vor allem möchte ich erstmals in der Früh den Zug benutzen, denn dann kann ich mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren.

eine gute Kombination: Fahrrad und Zug

eine gute Kombination: Fahrrad und Zug

In letzter Zeit geht mir in dem Zusammenhang vieles durch den Kopf. Die Sache mit dem Einkommen zum Beispiel. Einen nicht unbeträchtlichen Teil meines Einkommens wende ich dafür auf, dass ich ein Auto besitze.

Könnte ich meine Arbeitszeit noch einmal mehr reduzieren, wenn ich es aufgebe? Wie würde mein Alltag aussehen? Wie viel bedeutet die Sicherheit “Auto” für mich, was bin ich bereit dafür zu opfern? Wie viel ist Gewohnheit, wie viel Bequemlichkeit, was würde wirklich nicht funktionieren? Wie könnte ein Leben ganz ohne Auto aussehen?

was ich zusätzlich entdeckt habe

Das erste Mal seit langer Zeit war ich wieder deutlich mehr zu Fuß in Graz unterwegs. Mir wurde die Hässlichkeit der Stadt durch die Dominanz des Autoverkehrs bewusst. Es ist laut, schmutzig und riecht nicht gut.

Ich hasse die vielen Stausituationen und die vielen Ampeln, vor denen ich mit dem Auto warten muss, daher vermeide ich es mit dem Auto nach Graz zu fahren. Aber von außen betrachtet – also als Fußgänger – sieht das ganz noch viel schlimmer aus, als vermutet. Es war mir nicht bewusst, wie sehr sich das heutige Leben auf den Autoverkehr ausgerichtet hat.

der tägliche Stau der Autos in der Großstadt

der tägliche Stau der Autos in der Großstadt


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Logo einab grueneinfach.nachhaltig.besser.leben [#EiNaB]

Die Blogparade einfach.nachhaltig.besser.leben wurde heute mit einem Beitrag von Marlene neu eröffnet.

Sie gibt darin einen Einblick in ihren Kleiderschrank und zeigt, wie sie Kleidungsstücke umgestaltet. Ich lade Dich daher sehr herzlich zum Beitrag #EiNaB im April – Frühjahrsputz im Kleiderschrank ein.


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