Ausstellungskritik: Coca-colonized in der Wiener Brotkunsthalle

Ausstellungskritik: Coca-colonized in der Wiener Brotkunsthalle
Omar Obdulio Pena Forty: Enjoy la Fiesta, 2010 acrylic on canvas

ntropy vernetzt sich. Um die Entropie und den damit einhergenden Mangel an Infomationen einzudämmen, ist viel Energie nötig. Um dies besser bewältigen zu können, haben wir zwei neue Autoren aus europäischen Kulturmetropolen hinzugewonnen. Zur Premiere hat sich die österreichische Journalistin Ute Stadlbauer kritisch mit der aktuellen Austellung Coca-colonized in Wien auseinandergesetzt...

Der Kolonialismus ist doch eigentlich vorüber, oder nicht?

Unter dem Titel Coca-Colonized zeigt die Hilger Brotkunsthalle zur Zeit eine Auseinandersetzung mit dem postkolonialen Erbe in Afrika und Lateinamerika, und rückt den Begriff der Unabhängigkeit in das Licht der sozialen und wirtschaftlichen Realitäten dieser Regionen.

Auf dem Papier mögen sie unabhängig sein, doch die Einflussnahme der Kolonialmächte in ihren ehemaligen Territorien hat nie ein Ende gefunden, allerhöchstens ein neues Gesicht: Kolonialismus wurde also durch die globale Konsumgesellschaft ersetzt, Kolonialherren tragen Markennamen und die Abhängigkeiten werden heutzutage von der Weltbank kontrolliert.

Die Künstler brechen die herrschende Situation auf ihre jeweilige Lebensumgebung herunter: so wird bei Peña Forty entsprechend der karibischen Lebensfreude getanzt – enjoy la fiesta so das Dogma in Puerto Rico, dem Bundesstaat zweiter Klasse zwischen American Way of life all inclusive (also the bad) und lateinamerikanisch-karibischer Tradition. Besonders eindrücklich die Videoarbeit von Cameron Platter, The old Fashion.

Ausstellungskritik: Coca-colonized in der Wiener Brotkunsthalle
Cameron Platter: boat, 2007 acrylic on jacaranda wood

Die in Afrika immer wieder kehrende Geschichte der Menschenschlepperei, Zwangsprostitution, der Warlords (Charles Taylor ist ebenso vertreten wie Idi Amin), Stellvertreterkriege und Korruption findet Platz, verpackt in ein Filmchen mit Gastauftritten von illustren Figuren der afrikanischen und internationalen Politik und Wirtschaft. Die ausweglose Situation, in der sich ein Großteil der afrikanischen Staaten seit ihrer Unabhängigkeit befindet- zynischerweise gerne auch Emerging Markets genannt – genährt von korrumpierten Diktatoren und der Geiselhaft der Weltbank und daraus resultierender Ausbeutung durch die Industrienationen wird bei Platter durch die Zebra Invasion from Outer Space beendet, ein Aufruf zur Revolution im afrikanischen Utopia.

Peterson Kamwathi Waweru thematisiert ein anderes, bekanntes Sujet des modernen Afrika: das Anstellen. Es wird angestellt und gewartet. Seine eindrücklichen großformatigen Kohlezeichnungen zeigen die gesellschaftliche Realität Afrikas auf. Das Anstellen zum Exodus, das Anstellen zu den Wahlen, das Anstellen der Geschäftsleute: Kamwathi Waweru zeichnet ein Soziogramm der afrikanischen Gesellschaft, unter den Geschäftsleuten findet sich nur ein einziger schwarzer Mann, in den beiden anderen Menschenschlangen hingegen kein einziger Weißer. Die soziale Kluft zwischen den ehemaligen Kolonialherren und der schwarzafrikanischen Bevölkerung ist noch immer groß.

Ausstellungskritik: Coca-colonized in der Wiener Brotkunsthalle
Peterson Kamwathi: Queue#3, 2009 charcoal drawings diptych

Mit latentem Zynismus wird das Thema der Diskriminierung auch vom südafrikanischen Anton Kannemeyer aufgegriffen. „Oh no, i’m not just saying it because you’re black, I think it’s really really good.“ zeigt die Brisanz im Bereich der Rassendiskriminierung in Südafrika auch 16 Jahre nach dem offiziellen Ende der Apartheid. Von einer entspannten Gesellschaft, die unabhängig von Rassenfragen gleich nebeneinander existieren kann, ist man in Südafrika trotz aller Bemühungen noch weit entfernt.

Baudoin Mouanda geht die Sache von einem besonderen Blickwinkel aus an: seine Fotografien begleiten Jugendliche in Brazzaville, Kongo, die in der Hip Hop Society im frankophonen Afrika mit ihrer Musik die sozialen und politischen Missstände in ihrer Lebensumgebung aufzeigen und somit ein Mittel gefunden haben, ihren Anliegen auch über die Landesgrenzen hinaus Gehör zu verschaffen. Von der Absurdität der Verwertung der Revolution in der Konsumgesellschaft bei Reynier Leyva Novo bis zu den Trash-Sculptures von Simon Vega: Die ehemaligen Kolonialherren sind zwar weg, sie haben aber ihre Güter dagelassen. Ob das eine Entwicklung zum besseren darstellt, ist zu bezweifeln.

Text und Fotos: Ute Stadlbauer

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Simón Vega: Third World Rover Explorers Installation , 2010

Brot Kunsthalle
1100 Wien, Absberggasse 27
Öffnungszeiten: Do-Sa 12-18 h


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