Achtsam durch den Tag [Woche 1-4]

Hier kommt der Rückblick, wie es mir in den ersten Wochen des Jahres mit meinem Achtsamkeitsprojekt ergangen ist.

Ich habe mich letztendlich doch entschlossen, das Jahresprojekt Achtsamkeit nicht in die Monatscollagen zu integrieren. Nachdem mir das Thema sehr wichtig ist, soll es auch einen gebührenden Platz erhalten. Ich möchte immer 4 Wochen in einem Beitrag zusammen fassen und auf diese Weise mein Achtsamkeitstagebuch führen.

#1 die nicht dominante Hand benutzen

In der ersten Woche ging es darum, jeden Tag die nicht dominante Hand für einige Alltagstätigkeiten zu verwenden wie z.B. Zähne putzen oder Trinken.

rechts oder links?

rechts oder links?

Festgestellt habe ich, dass meine linke Hand viel ungeschickter, ja teilweise geradezu unbeholfen ist und die rechte Hand das unglaublich schamlos ausnutzt; sich hervor tut, einmischt und ungefragt übernimmt.

So kann sich die linke Hand gar nicht entwickeln und das habe ich gar nicht gut gefunden. Immer wieder versuche ich das zu ändern. Stelle fest, die linke Hand ist sehr gelehrig und freut sich, wenn sie einmal mehr tun darf.

Mit der Zeit erkenne ich, dass es aber auch Tätigkeiten gibt, welche die linke Hand sehr gut kann. Ich habe das 10-Finger-System gelernt und kann mit der linken Hand genau so gut schreiben wie mit der rechten. Auch Flöte oder Gitarre spielt die linke Hand problemlos.

Manches kann die linke Hand sogar besser als die rechte wie z.B. die Haare vom Roggenmehlshampon befreien. Das kann plötzlich die rechte Hand gar nicht und stellt sich ganz ungeschickt an, da sie gewohnt ist sonst den Duschkopf zu halten.

Die linke Hand ist also nicht per se ungeschickt sondern scheinbar nur unterbeschäftigt. Das versuche ich jetzt zu ändern und es gelingt immer besser.

#2 keine Spuren hinterlassen

Die Aufgabe der Woche sieht vor, dass ich ein Zimmer auswähle und versuche, eine Woche lang in dem Raum keine Spuren zu hinterlassen, dass ich diesen Raum benutzt habe.

manchmal ist es unmöglich keine Spuren zu hinterlassen

manchmal ist es unmöglich keine Spuren zu hinterlassen

Im Buch wird vorgeschlagen, das Badezimmer oder die Küche zu wählen. Nachdem ich gerade ein paar Tage nicht zu Hause sondern in einem Appartement war, habe ich mich für das Badezimmer entschieden.

Diese Übung hat mich während der ganzen Woche ständig beschäftigt und ging eigentlich deutlich über das Badezimmer hinaus, verließ mit der Zeit das Stoffliche und ging sogar ins Philosophische über.

Nachdem ich mich selbst und mein Umfeld tagelang sehr kritisch beobachtet habe, bin ich zum Schluss gekommen, dass es unmöglich ist, keine Spuren zu hinterlassen, wenn man einen Raum bzw. die Dinge in einem Raum benutzt.

Nehmen wir eine ganz einfache Handlung im Badezimmer her. Wenn ich meine Hände wasche und sie abtrockne kann ich zwar das Handtuch ganz genau so hin hängen, wie es vorher war, aber es ist nun feucht. Und im Waschbecken sind ein paar Wasserspritzer, vielleicht sogar am Boden.

Auch das Duschen hinterlässt Spuren, selbst wenn ich die Duschwand und alles andere ebenfalls trocken wische, so hat sich doch die Luftfeuchtigkeit deutlich erhöht und der Spiegel ist beschlagen, das Duschtuch ist feucht und ein winziger Teil der Seife fehlt unwiderruflich.

So sehr ich mich auch bemühe, es ist unmöglich keine Spuren zu hinterlassen. Und im Moment dieser Erkenntnis bekommt dieses Wissen etwas sehr Tröstliches. Ich hinterlasse Spuren, also bin ich. Nicht nur im Haus sondern auch bei den Menschen in meinem Umfeld hinterlasse ich Spuren.

Wenn ich mich anderen mitteile und wir Gedanken austauschen, so hinterlasse ich Spuren so wie auch der andere bei mir Spuren hinterlässt. Wir nehmen die Gedanken des anderen mit und sie bewirken etwas in uns.

Natürlich war die Übung eigentlich in eine andere Richtung gedacht, nämlich Dinge, die zu erledigen sind, sollten sofort erledigt werden, sodass keine Unordnung entsteht und ein Aufräumen bzw. wieder sauber machen nicht nötig ist.

Trotzdem hat mich diese Woche viel mehr das Detail und der philosophische Aspekt beschäftigt. Ich finde, es gibt kein Richtig und Falsch bei Achtsamkeitsübungen, nur das, was sich zeigt.

Die Spuren der anderen

Aber auch mit den Spuren der anderen Menschen habe ich mich in der Woche beschäftigt, denn die sind manchmal nicht zu übersehen. Die Unachtsamkeit oder vielmehr die Respektlosigkeit von Menschen dem Eigentum anderer bzw. öffentlichem Eigentum gegenüber hat mich sehr betroffen gemacht.

Ein Spaziergang durch die Innenstadt von Graz hat mich verärgert. Da wird liebevoll ein Rastplatz, der sogar begrünt ist, zur Verfügung gestellt und einige wenige machen alles kaputt. Die Sitzbank ist mit Tabakresten verschmutzt, Müll und Zigarettenstummel werden in dem Pflanzentrog abgelagert, sodass sogar die Pflanzen verdrängt werden. Es ist für mich unverständlich, warum Menschen sich so wenig wertschätzend verhalten.

so etwas kann ich nicht verstehen

so etwas kann ich nicht verstehen

#3 Füllwörter

Die zweite Woche mit den Spuren hat ganz schön viel bei mir ausgelöst und wirkt noch immer nach. Ich verspüre ein dringendes Bedürfnis weiter aufzuräumen und Dinge loszulassen, die nicht mehr zu mir gehören.

Beinahe verdrängt es die Übung der dritten Woche mit der ich – zugegeben – nicht so viel anfangen kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich durch den Blog gewohnt bin sehr bewusst zu kommunizieren. Oder daran, dass ich mehrere Jahre in der Erwachsenenbildung gearbeitet habe und dadurch versuche, die Dinge auf den Punkt zu bringen.

Oder – das meint Herr Widerstand – dass ich insgesamt nicht so viel rede.

in welcher Situation verwende ich Füllwörter?

in welcher Situation verwende ich Füllwörter?

Wie auch immer, ich lasse zu was sich zeigt, denn auch das ist für mich eine Übung der Achtsamkeit. Nicht einem starren Schema zu folgen sondern wahrzunehmen, was sichtbar wird.

Daher räume ich weiter auf und genieße es, mehr Raum zu bekommen. Dabei beobachte ich auch weiterhin meine Sprache und stelle fest, Füllwörter verwende ich hauptsächlich dann, wenn ich Zeit gewinnen will.

#4 die eigenen Hände wahrnehmen

Das braucht mir im Augenblick niemand zu sagen, denn die Kälte hat ihre Spuren hinterlassen. Jeden Winter leide ich unter extrem trockenen Händen, die so stark gerötet und rissig sind, dass die Haut an den Knöcheln immer wieder aufspringt und sogar blutet.

Meine Hände rufen sich selbst in Erinnerung, sie wollen gepflegt und behütet werden. Schön wäre es, würde meine Hände so aussehen wie diese auf dem Bild, tun sie aber nicht.

der eigenen Hand Aufmerksamkeit schenken

der eigenen Hand Aufmerksamkeit schenken

Es liegt auch nicht daran, dass wir keinen Geschirrspüler mehr haben, denn derzeit wäscht nur noch Herr Widerstand ab, damit meine Hände geschont werden.

Jeden Abend werden sie sorgsam mit Handcreme versorgt, aber auch das kann nur die Spitzen nehmen, trotzdem sind sie auch weiterhin rissig und schmerzen.

Ich erinnere mich an die Hände meiner Oma. Sie war es gewohnt ihr Leben lang zu arbeiten und hatte durch die Gartenarbeit das ganze Jahr hindurch raue und rissige Hände. Auch das Waschen der Wäsche mit der Hand hat dazu beigetragen. Heute frage ich mich, wie sie das ausgehalten hat.

Fazit

Zuerst hatte ich das Bedürfnis, so viel wie möglich aus dem Projekt herauszuholen und die Sorge, nicht alles richtig oder intensiv genug zu machen.

In der dritten Woche habe ich dann begonnen zu verstehen, endlich losgelassen und die Neugier sowie die Freude am Experimentieren in den Vordergrund gestellt.

Es gibt kein Richtig oder Falsch sondern nur das, was sich zeigt. Achtsamkeit nimmt wahr was ist und nicht, was sein soll.


achtsam durch den Tag [#Jahresprojekt 2016]

achtsam durch den Tag Jahresprojekt 2016Der Rückblick ist Teil von meinem Jahresprojekt.
Nähere Informationen dazu findest Du im Beitrag “Achtsam durch den Tag [Jahresprojekt]”, in welchem auch alle Links der Linkparty gesammelt werden.

Ergänzend dazu sind alle verlinkten Beiträge auf meinem Pinterest-Board “Achtsamkeit” zu sehen.


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