„A tergo“ oder Missionarsstellung?

Das Kamasutra ist vor knapp zweitausend Jahren geschrieben worden und gilt weltweit als einer der einflussreichsten kulturgeschichtlichen Texte zum Thema der erotischen Liebe. „Nimm s Kamasutra ab em Büechergestell“ hat Polo Hofer schon vor dreissig Jahren in seinem Hit „Teddybär“ empfohlen. Ob er die „Schwarze Biene“ oder die „Kobra“ schon einmal ausprobiert hat, weiss ich nicht. Viele der Sexstellungen in den „Versen des Verlangens“, wie der Begriff aus dem Sanskrit übersetzt wird, sind eher etwas für Kunstturner, denn für Lebenskünstler. Dass es sich beim Kamasutra aber um weit mehr als ein schlüpfriges Lehrbuch über sexuelle Praktiken handelt, habe ich erst viel später im Leben gemerkt.

Die am weitesten verbreitete Stellung, die Missionarsstellung, wird auch als „Deutsche Praktik“ (*), „Vanilla“ oder „Bambi-Sex“ bezeichnet. Der Mann liegt oben, die Frau unten. Der Klassiker unter den Stellungen geniesst allerdings einen eher schlechten Ruf. Wer kennt ihn nicht, den Ausdruck Nullachtfünfzehn-Stellung. Dabei gibt es keine guten oder schlechten Stellungen, es gibt nur Vor- und Nachteile. So berichten viele Frauen, dass sie unten liegend nicht oder kaum ganz auf ihre Kosten kommen. Beim Mann verhält es sich gerade umgekehrt. Manche kommen oben liegend leicht zu früh. Andere wiederum können praktisch nur in dieser Stellung kommen. Das ist alles ganz normal.

Richtig fies wird es im Chambre d’Amour, wenn unausgesprochene Glaubenssätze ihr Unwesen treiben. Zum Beispiel wenn ein Mann nur in der Missionarsstellung oder „A tergo“, also in der Hündchenstellung, kommen kann, er aber glaubt, er müsste in jeder anderen Position auch zum Samenerguss fähig sein. Wozu soll er sich Probleme aufhalsen und sich womöglich mit der „Chinesischen Schlittenfahrt“ abmühen?

Das gleiche gilt für Frauen, die mit der „Wiener Auster“ oder der „Flanquette“ partout nicht zum Höhepunkt kommen können. Wenn das Paar um Macht kämpft, dann überrascht es nicht, dass sie nicht auch die Reitstellung ausprobieren. Eine Position notabene, die viele Frauen bevorzugen, um zum Orgasmus zu kommen. Wenn das unerkannt oder unausgesprochen bleibt, ist der Stress vorprogrammiert.

In der Hitparade der Glaubenssätze besetzen zwei unverwüstliche Oldies seit Jahrzehnten einen Spitzenplatz. Das ist einerseits der Irrglaube, nur ein vaginaler Orgasmus sei ein „richtiger“ Orgasmus, die gleichzeitige manuelle Stimulation der Klitoris wäre tabu. Andererseits strengen sich immer noch viele Paare (vergeblich) an, zeitgleich zum Höhepunkt zu kommen. Sie glauben, nur das sei guter Sex.

Wir können aus einer Vielzahl von sexuellen Praktiken und Stellungen auswählen. Was am lustvollsten erfahren wird, ist aber individuell völlig verschieden. Erlaubt ist, worauf sich die Partner einigen. Wer es wagt, offen über Sex zu reden, entstaubt alte Glaubenssätze. Und, über Sex reden regt an. Das geht auch ohne Kamasutra, finde ich.

*) Wenn Sie im Internet unter www.wikipedia.ch den Suchbegriff „Sexstellungen“ eingeben, finden Sie mehr Infos.


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