99. Uninformiert

In dem gleichen FAZ-Artikel versuchte Krüger seinem griechischen Freund “unsere Debatte um Urheberrechte zu erklären, die ich selbst kaum verstehe”. So seine Erklärung:

Hier wird, sagte ich schüchtern, gerade über das Verschwinden des Autors im Netz diskutiert. Eine kleine politische Gruppe, die sich Piraten nennt, hat der Gesellschaft eine Diskussion aufgezwungen, an der sich alle beteiligen müssen. Was im Netz steht, soll allen gehören, der Begriff „geistiges Eigentum“ wird abgeschafft, er sei „ekelhaft“. …

Und wer sind die Schurken? Die Schurken sind Verlage, die Bücher drucken, und Autoren, die sich einbilden, dafür ein Honorar verlangen zu dürfen. Wieder ein langes Schweigen.

Er: Also wirst du in Zukunft die von dir verlegten Bücher nicht mehr ins Netz stellen? Ich: Das geht leider nicht, weil wir und die Autoren auf das Geld für elektronische Bücher angewiesen sind. Und wenn wir die Bücher nicht ins Netz stellen, werden sie von Piraten ins Netz gestellt. Das Telefonat wurde langsam ungemütlich, auch weil ich mich zunehmend schämte, einem armen griechischen Schlucker die neuen Spielregeln des Netzes erklären zu müssen.

… Was sagen eigentlich die deutschen Buchhändler dazu?, kam es aus Athen. Ach, rief ich, die sind verzweifelt! Je mehr Menschen sich Texte herunterladen, desto heikler werden die Überlebenschancen für die Buchhandlungen. Manche behelfen sich schon mit Non-Book-Angeboten. Non-Book-Angebote?, kam es durch den Äther. Ja, Kerzenständer, Vasen, Geschenkartikel.

Erschrocken (oder vielmehr hoffnungsfroh) ging ich zur Homepage des Verlags. Vielleicht könnte ich einen  Gedichtband des Verlegers runterladen, um meine kleine Krügersammlung aufzustocken. Es gibt nur einen, von 1982, Respekt, immer noch lieferbar, Klick auf “Inhalt” bringt nichts, aber auf “Warenkorb” kann man klicken. Runterladen geht gar nicht. Worüber redest du eigentlich, Väterchen?

Gut, suchen wir nach Neuerscheinungen. Derek Walcott, Weiße Reiher, erschienen Februar 2012, will ich haben, aber wo? Lizenz erwerben wär möglich, aber wieso, braucht man jetzt eine Lizenz zum Gedichtelesen? Warenkorb geht auch hier, ich probiers, aber das mach ich nicht, dann geht es über DHL vom Verlag, und die deutschen Buchhändler gehn leer aus. Nein, das will ich nicht.

Haben die nichts zum Runterladen? Nicht maln kleinen Kerzenständer, gar nix?

Aber eBooks wird es doch geben? Ja, gibt es. 20 von 179 werden angezeigt:

ALEXANDER ACIMAN, EMMETT RENSIN
Twitteratur
Weltliteratur in 140 Zeichen

Interessiert mich zwar nicht, aber mal sehn. Klickt man darauf, kommt:

Fester Einband, 208 Seiten
Preis: 12.90

Wie, fester Einband? Nein, das ist garkein eBook, jetzt muß ich noch mal “ebook” klicken, da kann mans bei Libri oder Thalia herunterladen? nein,  auch nicht, erst mal ordern. Es ist sogar billiger als gedruckt, 9,99 €, aber wieviele Seiten hat es denn? Das steht nicht dabei, da muß ich Herrn Krüger noch mal fragen. Herr Krüger, wieviel Seiten hat denn das ebook von Twitteratur? Nicht daß das ne Mogelpackung ist mit dem Billigpreis!

Ach was, ich muß mich mit einem Zitat aus der Scheiße retten. Da ist es. Volker Braun hilft. Volker Braun, was sagen Sie zur Debatte?

Na also, ist das nicht dummes Geschwätz?

Jaja, beeile ich mich, aber …   aber er ist gar nicht zu bremsen:

Und das wird gequasselt unterm stupiden Beifall des Auditoriums und sogleich mehrfach wiedergekaut. So schnell geht die Eskalation des Blödsinns.

(Volker Braun: Es genügt nicht die einfache Wahrheit. Notate. Leipzig: Reclam 1975, S. 65)

Und ich denke da, das waren noch Zeiten, als die Schriftsteller klare Worte fanden. Heute unterzeichnen sie zu zehntausend eine Petition, schon mal vorsorglich, bevor die Piraten die Macht übernehmen und ihnen ihre Villen im Tessin wegnehmen.



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