7. Forderungskatalog

Horst Samson schreibt zur Meldung #5:

Der Protest und die bei diesem Anlass von mir vorgetragenen sehr weitreichenden Forderungen hatten gravierende Folgen: Bedrohung mit langen Gefängnissstrafen durch den damaligen Chef der Temeswarer Securitate, Cristescu, persönlich; Veröffentlichungsverbote für einige der Beteiligten, auch für mich; in meinem Fall dann im März 1986 Morddrohung … und nach etlichen weiteren Schikanen die Emigration in die Bundesrepublik Deutschland. Richard Wagner und Herta Müller verließen am 5. März 1987 (?) das Land, ich am 6. März 1987. Es folgten im Frühjahr William Totok und im Sommer Johann Lippet, und einige Zeit später noch Helmuth Frauendorfer. Balthasar Waitz konnte in Temeswar bleiben, wo er bis heute schreibt und arbeitet. Es war ein schwerer Aderlass für die „rumdeutsche Literatur“, wie ich die rumäniendeutsche Literatur damals bezeichnete. Ich sollte mich mit dem „Rumdeutschen“ täuschen, auch heute wird im Banat und in Siebvenbürgen deutsch gedichtet und geschrieben, werden Lesungen abgehalten und Bücher veröffentlicht. Für alle, die sich dafür interessieren und wissen möchten, wie weit meine damaligen Forderungen an die Partei- und Staatsführung, letztlich an den Diktator, reichten, sei hier der gesamte Forderungskatalog wiedergegeben, wie ich ihn zwei Tage vor der direkten Auseinandersetzung im Oktober 1984 formuliert habe.

MEIN FORDERUNGSKATALOG

für den 12. Oktober 1984, 8 Uhr – Vorladung zu Eugen Florescu, ehemaliger stellvertretender Leiter der Propaganda-Abteilung des ZK der RKP, der als Sekretär für Propagandafragen des Kreisparteikomitees Temesch der RKP Ceausescus Kulturpolitik in Temeswar durchsetzen sollte, und Oberst Ion Cristescu, stellvertretender Leiter des Temeswarer Sicherheitsdienstes, sowie Ion Iancu, Funktionär der Propagandaabteilung des Kreisparteikomitees:

KOMPLEX SICHERHEITSPOLIZEI

- Hausdurchsuchungen; Verhaftungen, Verhöre, Bücherbeschlagnahmungen
- man sammelt ständig Aussagen gegen uns, um einen nichtexistierenden Komplott nachzuweisen
- Beschimpfungen (durch Securitateleute: „jicodii“ (Köter), „birlog“ (AMG – Höhle)
- Vorwurf: wir würden jungen Autoren staatsfeindlich erziehen
- nur die Staatsfeinde kriegen AMG-Literaturpreise wirft man uns vor. Da alle 100 Mitglieder abstimmen – sind wohl auch alle AMG-Mitglieder Staatsfeinde
- Versuch, junge Kollegen einzuschüchtern
- Schläge (wie im Fall Frauendorfen) – ist Verletzung der Person und der Menschenrechte

KOMPLEX BÜCHER / VERLAGSWESEN

- Einengung unserer Möglichkeiten, mit unseren texten die Öffentlichkeit zu erreichen, z.B. das deutsche Programm des Facla Verlags Temeswar wurde von 7 auf 3 Titel reduziert
- Zensur (aus meinem Gedichtband „Reibfläche“, Kriterion Verlag 1982, wurden so viele Gedichte rausgeworfen als drin geblieben sind (42) und das Buch verstümmelt, sogar in Zeitungen und Zeitschriften bereits veröffentlichte Gedichte werden aus den Tiposkripten rausgeschmissen, in der Zeitschrift „Volk und Kultur“ wurden unsere Meinungen zum „Schässburger Dichtertreffen“ 1984 rausgeworfen.
- Probleme der Buchauflagen, die sehr klein sind
- Das AMG-Jahrbuch „Pflastersteine“ durfte erst ein Jahr nach Erscheinen im Buchhandel verkauft werden

AUFNAHME IN DEN SCHRIFTSTELLERVERBAND

- Problem Johann Lippet – Warum hat das Temeswarer Kreisparteik0omitee den Beschluss der Schriftstellervereinigung Temeswar, Lippet in den Schriftstellerverband aufzunehmen, nicht bewilligt?
- Fall Peter Motzan (abgelehnt)
- Wir haben im Schriftstellerverband kaum noch Leute, die unsere Interessen vertreten können,
- was geschieht mit den anderen Kollegen, die demnächst in den Verband aufgenommen werden sollen (Herta Müller, William Totok, Stefan Sienerth, Balthasar Waitz, Emmerich Reichrath)

ISOLIERUNG (AMG, SCHRIFTSTELLER)

- Verbot der Lesung des westdeutschen linken Lyrikers Günther Herburger im AMG (ist ein Misstrauensvotum für die Leitung dieses Kreises)
- Reiseverbote für Schriftsteller
BRD: Wagner, Müller, Samson, Hodjak
Polen: Bossert
DDR: Hodjak, Frauendorfer
Ungarn: Totok
- Der Rumänische Schriftstellerverband hat noch nie einen unserer jungen deutschen Temeswarer Autoren zu offiziellen Veranstaltungen ins Ausland geschickt (DDR, Ungarn, BRD; England etc)
- BRD-Botschafter Hartmut Schulze-Boyssen (Bukarest) wollte bei seinem Temeswar-Besuch ein Essen geben für die jungen Autoren – das wurde verboten
- katastrophaler Import von deutschen Zeitungen und Büchern
- Verbot der 15-Jahrfeier des AMG im Sommer 1984
- fordern die Organisation von regelmäßigen (alle zwei Jahre) Erfahrungsaustauschen der rdt. Schriftsteller, Literaturkritiker und –historiker durch Unterstützung des Kulturkomitees, das nur für Wiesenfeste Geld hat
- obwohl unsere rdt. Publikationen die schlechtesten Überlebenschancen haben zwingt man Schüler dt. Klassen Abonnements der „Scinteia Tineretului“ („Funke der Jugend“) auf, der Parteizeitung „Scinteia“ („Der Funke“), der Zeitschrift „Cutezatorii“ („Die Kühnen“) etc.

ANDERE PROBLEME

- Warum gibt es keine deutsche Schauspielklasse mehr?
- es fehlen angemessen ausgebildete Lehrkräfte am Germanistik-Katheder der Uni Temeswar, z.B. Frau Grozav beherrscht die dt. Sprache nicht
- die Reform der Geschichtebücher für die deutsche Sektion (Beachtung der Geschichte der Rumäniendeutschen)
- Doppelbenennungen der Ortschaften in den Publikationen abschaffen
- Verbot der dt. Universitas-Seite in der Temeswarer Studentenzeitschrift „Forum studentesc“ („Studentenforum“)
- Verbot der deutschen Radiosendung „Tonspecht“ für die Studentenheime (und die chauvinistischen Argumentationen des Vorsitzenden des Verbands der Vereinigungen kommunistischer Studenten, Anton (dieser Punkt wurde zum Anlass des Araber-Streites, über den kein Wort nach Bukarest ans Innenministerium, Direktion I, Bereich II) berichtet wurde, Anm: HS 2009)
- Warum nur noch eine halbe Stunde dt. Fernsehsendung pro Woche, anstatt des ehemals Zwei-Stunden dauernden Programms?

Horst Samson, Temeswar, 10.-11. Oktober 1984

(mit uns Protestbrief-Unterzeichnern war auch noch der Vorsitzende der Schriftstellervereinigung Temeswar, Anghel Dumbraveanu, vorgeladen, der sich neutral verhielt)



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